Wahlrechtsreform: Besser ist das – aber gut auch nicht
SPD, Grüne und SSW bessern bei der geplanten Neuregelung von Landtagswahl, Kommunalwahlen und Volksabstimmungen in Schleswig-Holstein in einigen Punkten nach. Ein entsprechender Änderungsantrag wurde heute eingereicht. In anderen Punkten haben die Forderungen der PIRATEN und von Mehr Demokratie e.V. jedoch keinen Erfolg:
- Nach massiver Kritik und einem von den PIRATEN beauftragten Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes gibt die Koalition ihr ursprüngliches Vorhaben auf, den Einzug kleiner Parteien in Kommunalparlamente zu erschweren. Der Abgeordnete Patrick Breyer (PIRATEN): “Das ist ein großer Erfolg für uns PIRATEN und die demokratische Vielfalt im Norden. Mögen die großen Parteien ihre politischen Gegner mit Argumenten bekämpfen, nicht mit Paragrafen! Einzelmitglieder oder kleinere Fraktionen sind generell ein Gewinn für jedes Kommunalparlament, weil sie frischen Wind und neue Ideen einbringen.”
- Nicht übernommen werden soll der Vorschlag der PIRATEN, zur Landtagswahl eine Ersatzstimme einzuräumen für den Fall, dass die Zweitstimme eines Wählers wegen der 5%-Sperrklausel verfällt. Eine Reihe von Experten wie Mehr Demokratie e.V. versprechen sich davon ein Ende des “Stimmentods” für bis zu 14% der Wähler wie zuletzt in Sachsen-Anhalt. Breyer: “Wir müssen etwas gegen den massenhaften Stimmenverfall durch die Sperrklausel bei Landtagswahlen unternehmen – und dazu brauchen wir die Ersatzstimme. Der SSW ist von der Sperrklausel ausgenommen. Wenn die Koalition den Wählern anderer kleiner Parteien nicht einmal eine Ersatzstimme einräumen will, will sie offenbar in eigener Sache ihre Wahlchancen verbessern statt den Wählerwillen besser umzusetzen. Das enttäuscht.”
- Die Koalition erfüllt die Forderung von PIRATEN und Mehr Demokratie e.V., dass Unterschriften für Volksinitiativen künftig auch auf der Straße gesammelt werden können sollen. Breyer: “Dass künftig überall auf der Straße über politische Initiativen diskutiert und Unterschriften gesammelt werden können, tut unserer Demokratie gut.”
- Die Unterzeichnung von Volksinitiativen über das Internet soll nach dem Willen der Koalition nur mit Personalausweis-Lesegerät zugelassen werden. Die Piraten fordern demgegenüber, eine formlose Eintragung der persönlichen Daten wie bei der Europäischen Bürgerinitiative solle genügen. Breyer: “Die Volksinitiative muss im digitalen Zeitalter ankommen und so einfach zu unterzeichnen sein, dass sie auch genutzt wird. Nach dem komplizierten Verfahren der Koalition wird die Partizipation über das Internet zum Rohrkrepierer.”
- Volksabstimmungen sollen nicht verpflichtend mit dem nächsten Wahltermin zusammenzulegen sein. Die PIRATEN und Mehr Demokratie fordern dies, um das Scheitern eines Volksentscheids an mangelnder Teilnahme zu verhindern. Breyer: “Es ist nicht akzeptabel, dass der Landtagspräsident den Tag eines Volksabstimmung frei festlegen und damit über Erfolg oder Scheitern eines Volksentscheids entscheiden soll. Wegen der viel zu hohen Hürden ist die Teilnahme von genug Menschen entscheidend für den Erfolg einer Volksinitiative.”
Umgesetzt wird die von den PIRATEN vorgeschlagene Auslage nicht radierbarer Stifte in Wahlkabinen anstelle radierbarer Bleistifte und die Aufhebung des Wahlverbots für Menschen, die vollumfänglich unter Betreuung stehen.
Noch offen ist die Position der Koalition zur Forderung der PIRATEN, kommunale Bürgerentscheide auch in Angelegenheiten zulassen, die an Ämter delegiert wurden. Experten wie der Landesbeauftragte für politische Bildung werben, bei Fragen der Wasser- und Energieversorgung oder von Kindertagesstätten und Schulen bestehe ein hohes Interesse an Mitbestimmung. Breyer: “Normalerweise können die Bürger Streitigkeiten über kommunale Infrastruktur- und Versorgungseinrichtungen (z.B. Wasser- und Energieversorgung, Straßenbau, Kindertagesstätten, Schulen) durch Bürgerentscheid selbst entscheiden. Die Zulässigkeit von Bürgerentscheiden sollte nicht länger von der zufälligen Zuständigkeit eines Amtes abhängen. Ich appelliere an die Koalition, die direkte Demokratie im ländlichen Raum nicht länger auszubremsen.”
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