Vernichtendes Urteil: Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Medien allesamt korrupt?
Laut einer Meinungsumfrage im Auftrag von Transparency International halten 65% der Menschen in Deutschland politische Parteien für korrupt, 61% die Wirtschaft, 54% die Medien, 49% den öffentlichen Dienst und 48% das Parlament. 55% glauben, dass sich unsere Regierung von wenigen einflussreichen Interessengruppen leiten lässt.
Dieses Misstrauen ist das Ergebnis einer Gesetzgebung, die durch fehlende Offenlegungspflichten und Abstandsgebote bewusst eine übermäßige Einflussnahme der Wirtschaft auf die Politik hervorbringt. Transparency International sieht in elf Punkten massiven Handlungsbedarf, um den Einfluss der Wirtschaft auf die Politik zu begrenzen. Die Piratenpartei nimmt diese Vorschläge auf und widmet ein langes Kapitel ihres Wahlprogramms speziell der politischen Transparenz und Antikorruption.
Dass auch die Medien verbreitet als korrupt angesehen werden, überraschte mich auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick sind die Missstände aber bekannt: Journalisten nehmen Geschenke, Rabatte, “Testwagen”, Einladungen und luxeriöse Reisen an, die ihnen von Seiten der Wirtschaft angeboten werden. Nur selten wird in der Berichterstattung offen gelegt, auf wessen Kosten ein Besuch oder eine Besichtigung erfolgt ist. Pressereisen werden so üppig ausgestaltet, dass sich sogar ein Finanzamt weigerte, sie als Arbeitszeit anzuerkennen. Guten Anzeigenkunden wird redaktionelle Berichterstattung versprochen.
Die Medien unternehmen offenbar wenig zur Sicherung der Unabhängigkeit ihrer Berichterstattung: Der Pressekodex verbietet die Annahme von Geschenken, Rabatten oder sonstigen Vergünstigungen nicht klar. Auch unter den Medien selbst gibt es offenbar nur bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und beim Axel-Springer-Konzern klare Regeln, wie das Netzwerk Recherche in einer ausführlichen Analyse berichtet. Wir brauchen unabhängige Medien, um das Interessengeflecht von Wirtschaft und Politik aufzudecken. Glaubwürdig sind solche Recherchen nur, wenn sich die Medien selbst vorbildlich verhalten. Bis dahin gibt es noch viel zu tun.
Insgesamt braucht es meines Erachtens eine groß angelegte Antikorruptionskampagne, um das öffentliche Vertrauen in die Institutionen unserer Gesellschaft wieder herzustellen. Wir brauchen klare Maßstäbe, was akzeptabel ist und was nicht, und diese müssen auch durchgesetzt werden. Ein vorherrschender Eindruck von Korruption gefährdet auf Dauer die Demokratie.
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