Change language: Deutsch
Teilen:

Schleswig-Holsteinischer Landtag plant Diätenerhöhungen im Eilverfahren [ergänzt]

Allgemein

Der Schleswig-Holsteinische Landtag will in einem intransparenten Eilverfahren Diätenerhöhungen beschließen.
Wie schon in der letzten Legislaturperiode sollen die Abgeordnetendiäten nach dem hier erstmals veröffentlichten Änderungsantrag (pdf) auch bis zu den nächsten Wahlen jährlich entsprechend der “durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste der vollbeschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (einschließlich der Beamtinnen und Beamten) im Produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich in Schleswig-Holstein” steigen (was auch immer die Abgeordnetentätigkeit mit dem produzierenden Gewerbe zu tun hat).
Die Steigerungsrate des Indizes betrug zuletzt 2% jährlich. Die Abgeordnetendiäten, die 1992 noch bei 3.252 Euro monatlich lagen, würden auf dieser Grundlage von zurzeit 7.151 Euro monatlich auf ca. 7.900 Euro am Ende der Legislaturperiode steigen. Durch die jährlichen Diätenerhöhungen entstünden dem Land Mehrkosten von über 100.000 Euro im ersten Jahr, von über 200.000 Euro im zweiten Jahr usw. Für das Jahr 2012 soll die Diätenerhöhung rückwirkend ab Juli 2012 erfolgen.
Würde man die Abgeordnetendiäten der Einkommensentwicklung der Landesbediensteten (Beamte und Angestellte) anpassen, müssten sie sogar sinken. Zur Einhaltung der Schuldenbremse haben die Landesbediensteten in den letzten Jahren nämlich sogar Einkommenseinbußen hinnehmen müssen.
Aus meiner Sicht ist es nicht zu rechtfertigen, den Landesbediensteten immer weitere Einschnitte und Arbeitsverdichtungen abzuverlangen, um daraus (zum Teil) Erhöhungen der Abgeordnetendiäten zu finanzieren. Wenn das Land sich immer weiter einschränken muss, müssen die Abgeordneten mit gutem Beispiel voran gehen. Im Übrigen ist es nicht angemessen, dass Schleswig-Holstein das am dritthöchsten pro Kopf verschuldete Flächenland ist, seine Landtagsabgeordneten dafür aber überdurchschnittlich hoch bezahlt.
Offenbar wollen die übrigen Fraktionen ihre Pläne vor der Öffentlichkeit nicht rechtfertigen. Der Entwurf ist bis heute unveröffentlicht. Nicht einmal der Landesrechnungshof weiß Bescheid.
Bis Ende dieser Woche soll die Sache besiegelt werden. Schon morgen Mittag beraten Innen- und Finanzausschuss darüber, dann soll im Plenum ohne Aussprache beschlossen werden.
Wir PIRATEN haben vergeblich eine Änderung der Geschäftsordnung beantragt, wonach Erhöhungen der Abgeordnetendiäten und der Fraktionsmittel frühestens eine Woche nach Veröffentlichung des Entwurfs beschlossen werden dürften. Dieser Vorschlag wird von den übrigen Fraktionen abgelehnt – ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Ergänzung vom 06.10.2012:
Nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung verfügten 2004 nur 3% aller Steuerzahler über ein höheres Jahreseinkommen als 77.604 Euro. Abgeordnete des Schleswig-Holsteinischen Landtags bekamen alleine an Grundentschädigung seit 2006 jährlich mindestens 80.400 Euro brutto. Wir Abgeordnete gehören also alleine aufgrund unserer Entschädigung (ohne Nebeneinkünfte) zu den einkommensstärksten 3% aller Steuerzahler; 97% der Steuerzahler in Schleswig-Holstein verdienen weniger als ihre Vertreter im Landtag.
Diese Privilegierung verstärkt sich weiter, wenn man berücksichtigt, dass

  1. Arme regelmäßig keine Steuern zahlen und deshalb in der Einkommenssteuerstatistik nicht erfasst sind,
  2. die Einkommenssteuerstatistik auch Kapitaleinkünfte einschließt, bei den Abgeordneten aber nur deren Erwerbseinkommen berücksichtigt worden ist.

Die Abgeordnetendiät beträgt mehr als das Doppelte des durchschnittlichen Arbeitseinkommens in Schleswig-Holstein. Dabei sollte es sich ursprünglich um eine Entschädigung für den Verdienstausfall wegen der Tätigkeit als Abgeordneter handeln.
Ich halte diese Einkommensprivilegierung für falsch,

  1. weil das hohe Einkommen Abgeordnete meist auf Dauer davon abhält, wieder in ihrem Beruf zurückzukehren (“Berufspolitiker”), und dadurch das Parlament versteinert und
  2. weil derart privilegierte Abgeordnete die finanzielle Situation der allermeisten Bürger, die sie vertreten sollen, nicht mehr aus eigener Anschauung nachvollziehen können.

Kommentare

4 Kommentare

Kommentar schreiben:

Alle Angaben sind freiwillig. Die Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.