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Konsequenzen aus den Erkenntnissen des NSU-Untersuchungsausschusses: Parlamentarische Anfrage geplant

Anfragen Landtag

Der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags hat schwerwiegende Mängel in den Bereichen Polizei, Justiz und Geheimdienste festgestellt, die mit dazu beigetragen haben, dass die Mitglieder der Bande so lange unentdeckt bleiben konnten. Unter anderem ist die rassistische Motivation der Morde erst spät als ernsthafte Möglichkeit den Ermittlungen zugrunde gelegt worden. Parteiübergreifend hat der Ausschuss in seinem Abschlussbericht Empfehlungen abgegeben, aus denen jetzt Konsequenzen gezogen werden müssen. Zu einem großen Teil sind dafür die Länder zuständig.
Vor diesem Hintergrund will ich der Landesregierung folgende Anfrage stellen:

Konsequenzen aus den Erkenntnissen des NSU-Untersuchungsausschusses
Vorbemerkung: Auf die Einhaltung der Antwortfrist wird verzichtet.
Welche konkreten Schritte beabsichtigt die Landesregierung in Reaktion auf die folgenden parteiübergreifenden Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestags (BT-Drs. 17/14600, 861 ff.) einzuleiten:
a) Reflexion der eigenen Arbeit und Umgang mit Fehlern solle Gegenstand der polizeilichen Aus- und Fortbildung werden.
b) Mithilfe des Einsatzes von Supervision als Reflexions- und Beratungsinstrument für Polizeibeamten sollten die Erfolge der individuellen Bildungsmaßnahmen geprüft und nachhaltig gesichert werden.
c) Rotation solle als Führungsinstrument eingesetzt werden, um der Tendenz entgegenzuwirken, dass sich Dienststellen abschotten.
d) Für eine zentrale Ermittlungsführung durch eine Länderpolizei mit Weisungsrecht gegenüber bei anderen Länderpolizeien gebildeten regionalen Ermittlungsabschnitten müssten rechtliche Grundlagen geschaffen werden. Dies könne durch einen Staatsvertrag geschehen, den die Länder gegebenenfalls unter Beteiligung des Bundes schließen.
e) Die informationstechnischen Grundlagen für die länderübergreifende notwendige Vernetzung aller an einer Ermittlung beteiligten Dienststellen müssten geschaffen werden.
f) Die Bemühungen, junge Menschen unterschiedlicher Herkunft für den Polizeiberuf zu gewinnen, müssten intensiviert werden.
g) „Interkulturelle Kompetenz“ müsse ein fester und verpflichtender Bestandteil der Polizeiausbildung sein und zum professionellen Umgang mit gesellschaftlicher Vielfalt befähigen. Vordringlich die unmittelbaren Vorgesetzten der Kriminal- und Schutzpolizeibeamten sollten durch Aus- und Fortbildung sensibilisiert werden.
h) Die Kommunikation mit Opfern beziehungsweise Hinterbliebenen, deren nächsten Angehörigen und ihnen nahestehender Personen ist eine – für die Opfer und ihre Angehörigen, für den Erfolg von Ermittlungen und das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat – wichtige Aufgabe, die von dafür speziell geschulten Beamten wahrgenommen werden solle.
i) Opferzeugen müssten, wenn sie bei Ermittlungen befragt werden oder selbst Anzeige erstatten, verpflichtend und wenn erforderlich in ihrer Muttersprache auf ihr Recht hingewiesen werden, dass neben einem Anwalt auch eine Person ihres Vertrauens an der Vernehmung teilnehmen kann.
j) Opfer mutmaßlich rassistisch oder anderweitig politisch motivierter Gewalt müssten, wenn sie Anzeige erstatten, Strafantrag stellen oder als Zeuge vernommen werden, auf die spezialisierten Beratungsangebote auch in freier Trägerschaft und auf Entschädigungsansprüche für Betroffene solcher Straftaten hingewiesen werden und deren Kontaktdaten ausgehändigt erhalten.
k) Laufende, aber erfolglos bleibende Ermittlungen zu herausragend schweren Straftaten sollten nach einer bestimmten Zeit von Grund auf nochmals durch bisher nicht mit dem Fall befasste erfahrene Ermittler überprüft werden.
l) Als ungelöst abgeschlossene Fälle schwerer Straftaten sollten bei Fortschritten insbesondere der technischen Ermittlungsmöglichkeiten daraufhin gesichtet werden, ob erfolgversprechende Ermittlungsansätze gewonnen werden können und dann gegebenenfalls neu aufgerollt werden („cold case units“).
m) Die Ermittlungen zu Fällen, die der Untersuchungsausschuss beleuchtet hat, sollten in der Aus- und Fortbildung für Polizisten aller Laufbahnen in Bund und Ländern in geeigneter Weise behandelt werden. In der Aus- und Fortbildung für Führungskräfte sollten die Fälle analytisch aufgearbeitet und szenarienmäßig durchgespielt werden.
n) In die Aus- und Fortbildung von Angehörigen der Polizei, Justiz und des Verfassungsschutzes sollten auch die Wissenschaft und zivilgesellschaftliche Organisationen einbezogen werden.
o) In den gesetzlichen Grundlagen der Nachrichtendienste müsse Rechtsklarheit hinsichtlich der datenschutzrechtlichen Prüfung und Vernichtung von elektronischen und Papierakten herbeigeführt werden, um so die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des grundrechtlich gebotenen Datenschutzes und der rechtsstaatlichen Grundsätze der Aktenklarheit und Aktenwahrheit zu gewährleisten.
p) In den Nachrichtendiensten müssten auf der aktualisierten gesetzlichen Grundlage Vorschriften und Dienstanweisungen zu Datenspeicherung und Aktenhaltung, Datenlöschung und Aktenvernichtung geschaffen werden, die für die Bearbeiterinnen und Bearbeiter verständlich und möglichst unkompliziert handhabbar sind.
q) Die Rolle des behördeninternen Datenschutzbeauftragten in den Nachrichtendiensten solle gestärkt und dieser direkt an die Amtsleitung angebunden werden.
r) Es bedürfe der Stärkung einer systematischen und strukturellen Kontrolle der Nachrichtendienste. Einzelne Tätigkeitsbereiche der Nachrichtendienste, so beispielsweise auch der in der Arbeit des Untersuchungsausschusses als höchst problematisch erkannte Bereich des Einsatzes von V-Personen, müssten gezielt untersucht werden.
s) Der Ausschuss empfiehlt klare gesetzliche Regelungen schon im Hinblick auf einen einheitlichen Sprachgebrauch für menschliche Quellen – Quellen, die gelegentlich unentgeltlich Informationen geben, sei es auf eigene Initiative oder nach Ansprache durch eine Sicherheitsbehörde; Quellen, die gelegentlich Informationen geben und dafür Gegenleistungen erhalten; Quellen, die sich zur Zusammenarbeit verpflichtet haben und in diesem Rahmen Gegenleistungen erhalten.
t) Der Ausschuss fordert klare Vorgaben hinsichtlich der Auswahl und Eignung von Vertrauensleuten (u. a. bezüglich Vorstrafen), für deren Anwerbung und die Beendigung der Zusammenarbeit.
u) Der Ausschuss fordert klare Vorgaben hinsichtlich der Dauer der Führung einer Quelle durch einen Mitarbeiter einer Sicherheitsbehörde, die das Entstehen eines zu engen persönlichen Verhältnisses unterbinden.
v) Der Quellenschutz ist nicht absolut. Der Schutz von Leib und Leben der Quelle sowie anderer Personen, die Arbeitsfähigkeit der Verfassungsschutzbehörden und die berechtigten Belange von Strafverfolgung und Gefahrenabwehr seien in ein angemessenes Verhältnis zu bringen.

Der Entwurf der Anfrage kann hier verändert, ergänzt oder kommentiert werden, bevor die Anfrage in einigen Tagen eingereicht wird. Die Antwort wird in einigen Wochen im Informationssystem abrufbar sein.

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