EU-Kommission vs. Breyer: Europäischer Gerichtshof entscheidet morgen über Transparenz der europäischen Justiz
Wie transparent und nachvollziehbar entscheiden die Gerichte der EU? Erhalten Presse und Öffentlichkeit in wichtigen Grundsatzprozessen Zugang zu den Argumenten und Anträgen der Beteiligten? Oder müssen Verfahrensbeteiligte gar mit einer Strafe rechnen, wenn sie Schriftsätze an Presse oder Öffentlichkeit herausgeben? Über diese Fragen entscheidet morgen der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Zuge der Behandlung einer Klage des Bürgerrechtlers Patrick Breyer von der Piratenpartei Deutschland (EU-Kommission vs. Breyer, Rechtssache C-213/15 P).[1]
Weil der EuGH bisher keinen Zugang zu eingereichten Argumenten und Anträgen gewährt, verlangte Breyer von der EU-Kommission die Herausgabe österreichischer Schriftsätze zur Nichtumsetzung der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung. In erster Instanz wurde die Kommission zur Herausgabe verurteilt und ist dem nachgekommen[2], jedoch nicht ohne Berufung gegen das Urteil einzulegen. Neben der Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils fordert die Kommission vom EuGH eine Kostenstrafe gegen Breyer, weil er die im aktuellen Verfahren gewechselten Schriftsätze anonymisiert auf seiner Homepage veröffentlicht hat.[3]
„Die Transparenz der europäischen Justiz ist mangelhaft. In Zeiten der Legitimationskrise weckt diese Intransparenz eher Misstrauen als das Vertrauen in die EU zu fördern. Gerechtigkeit braucht Öffentlichkeit“, erklärt Breyer, ehemals Vorsitzender der PIRATEN-Fraktion im Landtag von Schleswig-Holstein, seine Klage.
„Prozesse vor dem obersten EU-Gericht dürfen keine Geheimverfahren sein! Nach Transparenz schreien besonders Fälle, in denen EU-Gerichte über Massenüberwachungsmaßnahmen wie die Vorratsdatenspeicherung entscheiden. Die Gültigkeit solcher Eingriffe in unsere Grundrechte geht uns alle an. Es geht mir nicht nur um die Transparenz des EuGH als europäischem Verfassungsgericht, sondern auch um Pressefreiheit und die demokratische Kontrolle von Regierungen in laufenden Verfahren“, begründet Breyer. Presse und Öffentlichkeit dürften in Grundsatzprozessen mit weitreichenden Folgen für jeden Bürger nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden. „Die Argumentation und Anträge der Regierungen in Grundsatzprozessen müssen der öffentlichen Kontrolle unterworfen werden. In einer Demokratie ist die Staatsgewalt der Öffentlichkeit gegenüber rechenschaftspflichtig, auch für ihr Verhalten vor Gericht“, so Breyer weiter.
Auch Generalanwalt Bobek plädierte im Dezember für einen umfassenderen Zugang zu Dokumenten des Gerichtshofs.[4] Der Gerichtshof solle seine bisherigen restriktiven Zugangsregelungen überdenken. Schriftsätze könnten sowohl in abgeschlossenen als auch – in beschränkterem Umfang – in anhängigen Rechtssachen öffentlich zugänglich gemacht werden. Darüber hinaus regt der Generalanwalt an, Parteischriftsätze künftig auf der Website des Gerichtshofs zu veröffentlichen. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg gewährt schon heute öffentlichen Zugang zu eingereichten Schriftsätzen.
Quellen:
[1] Termin zur Urteilsverkündung
[2] Veröffentlichte Schriftsätze nach erstinstanzlicher Verurteilung der EU-Kommission
[3] Prozessdokumentation
[4] Schlussanträge des Generalanwalts (Pressemitteilung)
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