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“Die Anstalt”: ZDF will weiterhin kommentarlos aus der Mediathek löschen

Freiheit, Demokratie und Transparenz Juristisches Piratenpartei

Nach Erhalt von gerichtlichen Verfügungen hat das ZDF die Gesamtfassung der Aprilsendung von “Der Anstalt” aus dem Netz genommen, ohne auf die Löschung oder die Gründe dafür hinzuweisen. Die Sendung behandelte brisante Verflechtungen führender Journalisten mit US- und Nato-affinen Organisationen. Auf meine Anfrage zu dem Vorgang erklärt das ZDF nun, keinen Änderungsbedarf an seinem Umgang mit gerichtlichen Verfügungen zu sehen. Eine Nachbearbeitung der Szene wäre zu aufwändig, eine Veröffentlichung der Gerichtsentscheidungen zu riskant.
Hier die Stellungnahme des ZDF mir gegenüber im Wortlaut (eckige Klammern sind von mir eingefügt):

Sehr geehrter Herr Breyer,
vorbezeichnete E-Mail wurde mit der Bitte um unmittelbare Beantwortung an das Justitiariat weitergeleitet.
Zu 1. [“Warum sind die Entfernung der vollständigen Sendung und die Gründe dafür, insbesondere der Volltext der entsprechenden Gerichtsentscheidung(en), vom ZDF nicht an gleicher Stelle offengelegt worden?“]
Die Satireshow “Die Anstalt” vom 29.04.2014 thematisierte unter anderem den Konflikt in der Ukraine und befasste sich in diesem Zusammenhang auch mit Verbindungen zwischen deutschen Journalisten und politischen Think Tanks. Herr Dr. Joffe und Herr Dr. Bittner haben beim Landgericht Hamburg einstweilige Verfügungen gegen die entsprechenden Passagen der Satiresendung erwirkt. In einem dieser beiden Fälle ist darüber hinaus mittlerweile Hauptsacheklage erhoben worden. Das ZDF hat nach Prüfung der Sach- und Rechtslage Widerspruch gegen die einstweiligen Verfügungen erhoben und wird sich auch gegen die Hauptsacheklage verteidigen. Nunmehr sind Gang und Ergebnis der gerichtlichen Verfahren abzuwarten.
Das ZDF ist aufgrund der einstweiligen Verfügungen gerichtlich verpflichtet, die beanstandeten Passagen – jedenfalls bis zur endgültigen Klärung der Rechtstreitigkeiten – aus der Mediathek zu entfernen.
Aus grundsätzlichen Erwägungen werden die – im Übrigen auch nicht rechtskräftigen – Entscheidungen nicht publiziert (s. zu 3.)
Zu 2. [“Wenn dem ZDF untersagt worden ist, einzelne Behauptungen in der Sendung weiter zu verbreiten, warum ist der Sendungsteil betreffend die Verbindungen von Journalisten dann insgesamt gelöscht worden? Warum wird der gerichtlichen Anordnung nicht transparenter und weniger eingreifend durch Überblendung, Kommentierung o.ä. nur der betroffenen Aussagen nachgekommen?“]
Eine Bearbeitung der Sendung in dem von Ihnen gewünschten Sinne wäre mit erheblichem Zeit- und Kostenaufwand verbunden. Darüber hinaus wäre im Falle eines Obsiegens des ZDF die bearbeitete Fassung obsolet.
Zu 3. [“Soll mit gerichtlichen Anordnungen dieser Art in Zukunft anders umgegangen werden oder sehen Sie keinen Änderungsbedarf?“]
Auch künftig ist nicht beabsichtigt, gerichtliche Entscheidungen im Zusammenhang mit einer Sendung zu publizieren. Im Falle der Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen müssen die Persönlichkeitsrechte aller Prozessbeteiligten durch entsprechende Anonymisierungen geschützt und ggf. auch Urheberrechte an der gerichtlichen Entscheidung berücksichtigt werden. Im Interesse aller Beteiligten erscheint es sinnvoll, es bei dem üblichen Prozedere zu belassen, wonach Gerichtsentscheidungen bei den zuständigen Gerichten nachgefragt werden können. Die Gerichte entscheiden sodann über das “ob” und “wie” der Herausgabe bzw. der Veröffentlichung.
Gerne übermitteln wir Ihnen nachstehend die in den laufenden Verfahren Dr. Joffe ./. ZDF und Dr. Bittner ./. ZDF bis dato ergangenen Beschlüsse:
Dr. Joffe ./. ZDF
LG Hamburg
AZ 324 O 315/14
Beschluss vom 03.06.2014
Dr. Bittner ./. ZDF
LG Hamburg
AZ 324 O 316/14
Beschluss vom 11.06.2014
LG Hamburg
AZ 324 O 316/14
Beschluss vom 18.06.2014
OLG Hamburg
AZ 7 W 78/14
324 O 316/14
Beschluss vom 26.06.2014
Mit freundlichem Gruß
In Vertretung des Justitiars
[…]

Meine Meinung: Dass kritische politische Berichte plötzlich spurlos aus dem Internet verschwinden, kennt man eigentlich nur aus autoritären Staaten. Mit Transparenz hat das nichts zu tun. Ich finde, die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf, von Löschungen und den Gründen dafür zu erfahren. Es mag gute Gründe für die Untersagung durch das Landgericht Hamburg geben. Dann sollte das ZDF diese aber auch offenlegen. Ein Hinweis auf den Löschungsgrund kann auch ohne Veröffentlichung der Gerichtsentscheidung gegeben werden. Im Übrigen kann das ZDF von den Gerichten eine zur Veröffentlichung freigegebene Fassung der Entscheidungen anfordern und veröffentlichen. Außerdem finde ich, dass sich das ZDF bei einem so wichtigen Thema wie Verbindungen zwischen leitenden Journalisten mit US- und Nato-affinen Organisationen die Mühe einer Nachbearbeitung machen sollte, statt den wichtigen Beitrag vollständig aus dem Netz zu nehmen. Der gerichtlichen Anordnung könnte transparenter und weniger eingreifend durch Überblendung, Kommentierung o.ä. nur der betroffenen Aussagen nachgekommen werden. Ich wünsche mir, dass das ZDF hier generell zu einer anderen Handhabung im Fall von Löschungen kommt.
Die Entscheidungen habe ich nun von den zuständigen Gerichten angefordert.
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