Bundesgerichtshof entscheidet über Ausspionieren von Internetnutzern
Pirat Patrick Breyer ist gegen die Vorratsspeicherung der Internetnutzung (auch Surfprotokollierung oder Internet-Tracking genannt) bis vor den EuGH gezogen. Im Grundsatzstreit um die Speicherung von IP-Adressen muss nun der Bundesgerichtshof abwägen, ob das Surfverhalten von Internetnutzern Privatsache ist. Die mündliche Verhandlung findet am Dienstag, den 14. Februar ab 10 Uhr statt [1] (Az. VI ZR 135/13).
“Ich kämpfe dafür, dass rechtstreue Internetnutzer nicht aufgezeichnet werden und anonym surfen dürfen“, erklärt Patrick Breyer, Datenschutzexperte der Piratenpartei und Landtagsabgeordneter, sein Ziel für die Verhandlung. “Meine persönlichen Interessen, Einstellungen, Probleme und Vorlieben gehen niemanden etwas an. Surfprotokolle können jeden, bis hin zum höchsten Amtsträger, erpressbar machen. Auch für eine vermeintlich kurze Dauer, wie beispielsweise sieben Tage, wäre es inakzeptabel, das Surfverhalten der gesamten Bevölkerung – also von Nutzern, die mit Angriffen nicht das Entfernteste zu tun haben – flächendeckend aufzuzeichnen. Das Risiko von Datenklau, Datenverlust oder Datenmissbrauch ist zu hoch.”
Bund protokolliert das Surfverhalten auf Vorrat
Hintergrund: Mit dem Ziel, Angriffe abzuwehren und die strafrechtliche Verfolgung von Angreifern zu ermöglichen, werden bei den meisten allgemein zugänglichen Internetportalen des Bundes alle Zugriffe in Protokolldateien festgehalten. Darin werden unter anderem der Name der abgerufenen Seite, der Zeitpunkt des Abrufs und die IP-Adresse des zugreifenden Rechners über das Ende des jeweiligen Nutzungsvorgangs hinaus gespeichert. Breyer will mit seiner Klage erreichen, dass Surfprotokolle anonymisiert werden und die persönliche Internetnutzung nicht über die IP-Adresse zurückverfolgt werden kann.
Der EuGH hat 2016 entschieden, dass “der Zweck, die generelle Funktionsfähigkeit des Online-Mediendienstes zu gewährleisten, Gegenstand einer Abwägung mit dem Interesse oder den Grundrechten und Grundfreiheiten der Nutzer” sein muss. Das Landgericht Berlin als Vorinstanz war zu dem Ergebnis gekommen, dass „die Speicherung der IP-Adresse über das Ende des Nutzungsvorgangs hinaus für die Ermöglichung des Angebots nicht erforderlich ist“. Es hat zur Begründung angeführt, dass die Bundesrepublik „den Zugriff auf viele ihrer Seiten auch ohne Speicherung der IP-Adresse ermöglicht“. Auch der gerichtlich bestellte Sachverständige hatte festgestellt, dass “die Speicherung keinen signifikanten Beitrag zur Sicherheit des IT-Systems leistet”.
Weitreichende Folgen für die Internetwirtschaft
Wenn der Bundesgerichtshof die Vorratsspeicherung der Internetnutzung verbietet, hat das weitreichende Folgen für die gesamte Internetbranche: Zum einen wäre im Sinne der Datenschutzbeauftragten klargestellt, dass eine Vorratsspeicherung der Internetnutzung zur Marktforschung (Tracking) mitsamt unverkürzter IP-Adresse die freie Einwilligung des Nutzers (Opt-In) voraus setzt. Zum anderen dürften auch Werbebanner, Videos und sonstige externe Inhalte nur noch in deutsche Internetportale eingebunden werden, wenn die Drittanbieter auf eine unverkürzte Vorratsspeicherung der IP-Adresse verzichten. Internationale Werbenetzwerke wie Doubleclick und Anbieter wie Youtube oder Facebook müssten dazu die Vorratsspeicherung unserer Internetnutzung einstellen (wie z.B. von Google Analytics inzwischen angeboten) oder dürften nur noch mit Einwilligung des Nutzers eingesetzt werden (2-Klick-Prinzip). Eine webseitenübergreifende Nachverfolgung unserer Internetnutzung wäre damit unterbunden. Solange eingebundene Werbebanner nicht datenschutzkonform ausgestaltet sind, droht vielen Anbietern von Internetportalen das Wegbrechen einer wichtigen Einnahmequelle als Grundlage ihres Geschäftsmodells. Bisher ist die Internetwirtschaft erstaunlicherweise nicht in Gesprächen mit ihren Kooperationspartnern, um deren Vorratsspeicherung unserer Internetnutzung zu verhindern.
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