Bezahlbaren Wohnraum in Schleswig-Holstein erhalten [ergänzt am 18.11.2012]
Wir haben gestern auf dem Piratentreff in Westerland den Mangel an bezahlbarem Dauerwohnraum auf Sylt diskutiert, der zu Abwanderung bzw. zum Aussterben der Einheimischen (z.B. Familien mit Kindern) führt, aber auch z.B. Senioren mit begrenzter Altersversorgung trifft. Ein ähnliches Problem besteht wohl auch in anderen Fremdenverkehrsorten, im Hamburger Umland sowie in Flensburg, in geringerem Maß auch in Kiel und Lübeck.
Ich habe dazu folgende Lösungsansätze gefunden:
1. Schaffung bezahlbaren Wohnraums durch Neubau oder Umwandlung
An der Schaffung neuen bezahlbaren Wohnraums arbeiten Landesregierung und die Gemeinden bereits. Eine wichtige Rolle spielen hier Wohnungsbaugenossenschaften und Baugemeinschaften. Neuschaffung ist aus Platzgründen und finanziellen Gründen nur begrenzt möglich. Zur verstärkten Finanzierung könnten die Gemeinden allerdings die Zweitwohnungssteuer oder die Grundsteuer erhöhen oder eine Übernachtungsabgabe für Touristen einführen (deren Erlöse nicht in den Tourismus fließen müssen).
Gemeinden können entscheiden, Bauland nur an Einheimische zu verkaufen oder Neubauten nur durch Einheimische zu erlauben (“Einheimischenmodell“).
2. Wegfall bezahlbaren Wohnraums verhindern
a) Rückbau und Nutzungsänderung verhindern
Jede von Verdrängung betroffene Gemeinde kann durch “Erhaltungssatzung” bestimmen, dass der Rückbau, der Umbau oder die Nutzungsänderung von Wohngebäuden genehmigungspflichtig sein soll (§ 172 BauGB).
Anders als z.B. in Hamburg gibt es auf Sylt eine solche Satzung meines Wissens bisher nicht. Die Sylter könnten das zum Thema im Kommunalwahlkampf machen. Vielleicht bekommen wir auch auf Landesebene eine Änderung der Gemeindeordnung hin, so dass man eine solche Satzung durch Bürgerentscheid erzwingen kann, das wird gerade diskutiert. Wir PIRATEN setzen uns natürlich dafür ein, die SPD ist skeptisch.
b) Mieterhöhungen begrenzen
Im Bereich einer Erhaltungssatzung hat die Gemeinde ein Vorkaufrecht. Dadurch können Verkäufe an Spekulanten verhindert werden. Aus finanziellen Gründen ist ein Vorkauf natürlich nur in relativ wenigen Fällen möglich. Oft reicht es aber, den Käufer zu überzeugen, zur Abwendung des Vorkaufsrechts eine Mietgarantie abzugeben. So macht das z.B. München. Mit einer sogenannten “Abwendungserklärung” können sich Käufer dort verpflichten, eine Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen sowie unangemessene Modernisierungsmaßnahmen für die Dauer der jeweiligen Erhaltungssatzung, maximal für zehn Jahre zu unterlassen.
c) Umwandlung in Eigentumswohnungen begrenzen
Wo eine Erhaltungssatzung existiert, kann die Landesregierung durch Rechtsverordnung anordnen, dass auch die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen einer Genehmigung bedarf (Hamburg hat das z.B. getan).
d) Umnutzung als Ferienwohnung verhindern
Die Landesregierungen kann für Gemeinden, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, durch Rechtsverordnung bestimmen, daß Wohnraum nur mit Genehmigung zu anderen als Wohnzwecken (z.B. zur gewerblichen Zimmervermietung) “umgenutzt” werden darf. Eine solche Verordnung existiert z.B. in Nordrhein-Westfalen, nicht aber in Schleswig-Holstein.
e) Verfall und Leerstände verhindern
Ein schleswig-holsteinisches Wohnungsaufsichtsgesetz könnte den Gemeinden das Recht geben, Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten an Wohnraum anzuordnen, um dessen Gebrauchstauglichkeit zu erhalten. Ein solches Gesetz gibt es in Hessen, Berlin und Nordrhein-Westfalen. Der Mieterbund fordert das auch für Schleswig-Holstein. Die Landesregierung hat 2004 behauptet, solche Möglichkeiten ergäben sich schon aus Landesbauordnung und Landesverwaltungsgesetz, was aber meines Erachtens nicht stimmt.
Ein Wohnungsaufsichtsgesetz könnte die Gemeinden auch ermächtigen, es zu verbieten, Wohnungen leer stehen zu lassen (z.B. weil zu hohe Mieten gefordert werden).
3. Gestaltungsspielraum der Gemeinden nutzen
All diese Möglichkeiten bringen natürlich nur etwas, wenn die Gemeinden vor Ort auch bereit sind, davon Gebrauch zu machen. Wenn die Gemeinde investorenhörig ist, wird sie das nicht tun. Es wäre daher wichtig, vor der anstehenden Kommunalwahl anzufragen, welche Partei von welchen Möglichkeiten Gebrauch machen will und von welchen nicht (z.B. durch Wahlprüfsteine).
Ergänzung vom 18.11.2012:
Das Hamburgische Wohnraumschutzgesetz sah ursprünglich auch eine Meldepflicht für Leerstände vor. Die SPD, die schon zu Oppositionszeiten einen entsprechenden Vorstoß unternommen hatte, will sie nun wieder einführen. Neu eingeführt werden soll außerdem eine Pflicht zur Zwischenvermietung bei geplanten Um- und Neubaumaßnahmen. Konkret bedeutet dies, dass Besitzer von Wohnhäusern, die ihre Immobilie sanieren wollen, nicht mehr so lange warten dürfen, bis der letzte Mieter aus dem Gebäude ausgezogen ist. Stattdessen müssen die Besitzer ihre Wohnungen befristet bis zum Zeitpunkt der Baumaßnahmen vermieten. Daran soll künftig die Genehmigung der Baumaßnahmen geknüpft werden.
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