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Wissenschaftlicher Dienst: EU-Pläne zur flächendeckenden Nachrichten- und Chatkontrolle verletzen Grundrechte

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Die verdachtslose und fehleranfällige Durchleuchtung privater E-Mails und Nachrichten auf der Suche nach Kinderpornografie und „Grooming“ durch US-Konzerne wie Facebook, Google und Microsoft ist teilweise unzulässig. Dies stellt der Wissenschaftliche Dienst des Europäischen Parlaments (EPRS) in einem gestern veröffentlichten Gutachten fest. Damit stehen die EU-Pläne zur Legalisierung und Ausweitung der umstrittenen flächendeckenden Nachrichten- und Chatkontrolle auf der Kippe.

So kommen die Parlamentsexperten zu dem Ergebnis, dass ein automatisiertes und unterschiedsloses Scannen aller Kommunikationsinhalte unverhältnismäßig weit gehe und Grundrechte verletze. Mithilfe „künstlicher Intelligenz“ nach der Anbahnung von Kontakten zu Minderjährigen (Grooming) oder noch unbekannter Kinderpornographie zu suchen, sei nur zulässig, wenn die Durchleuchtung auf Verdächtige beschränkt werde (Seite 47 des Gutachtens). Dasselbe gelte für die Suche nach noch unbekannter Kinderpornografie mithilfe „maschinellen Lernens“, wie es die von US-Schauspieler Ashton Kutcher gegründete Organisation „Safer“ praktiziere, so eine ergänzende Stellungnahme der Studienautorin. Eine Beschränkung der Durchleuchtung auf Verdächtige lehnen EU-Kommission, Europäisches Parlament und EU-Rat in den laufenden Trilogverhandlungen bisher ab, so dass die geplante Ausnahmeverordnung[3] vor Gericht zu scheitern droht. 

Der Wissenschaftliche Dienst stellt außerdem fest, dass Kommunikationsinhalte und Nutzerdaten im Verdachtsfall nur an Staaten mit angemessenem Datenschutzniveau weitergegeben werden dürfen (Seite 56 des Gutachtens). Da den USA nach der „Safe Harbour“-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ein angemessenes Datenschutzniveau fehlt, ist die millionenfache Praxis von US-Konzernen, sensible Kommunikationsdaten an die in den USA ansässige Organisation NCMEC weiterzugeben, illegal. Die irische Datenschutzbehörde untersucht bereits Beschwerden des Europaabgeordneten und Schattenberichterstatters Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei, Fraktion Grüne/Europäische Freie Allianz) gegen die verdachtslose Durchsuchung und Weiterleitung privater Nachrichten durch Facebook und Google.

„Jetzt ist es amtlich: Die geplante verdachtslose Nachrichten- und Chatkontrolle wird vor Gericht scheitern und ist schon deshalb nicht zielführend. Sie ist sogar kontraproduktiv, weil sie Täter in sichere Kommunikationskanäle abtauchen lässt und dadurch Ermittlungen erschwert. Die Verdächtigungsmaschinen zeigen nach Polizeiangaben in 90% der Fälle Unschuldige an, oft auch Jugendliche. Anstelle von Massenüberwachung ins Blaue hinein müssen Kinder online und offline gezielt geschützt werden durch verstärkte Prävention, öffentliche Aufklärung, Therapie- und Unterstützungsangebote sowie Ausbau der Strafverfolgungskapazitäten!“

Hintergrund:

Die Europäische Kommission hat 2020 einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, der es Anbietern erlauben soll, mithilfe fehleranfälliger Technik vollautomatisiert alle privaten Chats, Videokonferenzen, Nachrichten und E-Mails verdachtslos und flächendeckend nach möglicherweise verbotenen Darstellungen Minderjähriger und Anbahnungsversuche (Kontaktaufnahme zu Minderjährigen) zu durchsuchen. Meldet ein Algorithmus einen Verdachtsfall, werden alle Nachrichteninhalte und Kontaktdaten automatisch und ohne menschliche Prüfung an eine private Verteilstelle (NCMEC) und weiter an Polizeibehörden weltweit geleitet. Die Betroffenen sollen nie davon erfahren. Kein Richter muss dieser Durchsuchung vorab zustimmen.

Weitere Informationen zur Nachrichten- und Chatkontrolle


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