Wissenschaftlicher Dienst des EU-Parlaments bestätigt: Chatkontrolle verstößt gegen Grundrechte
Heute hat der Wissenschaftliche Dienst des Europäischen Parlaments (EPRS) im federführenden Innenausschuss (LIBE) des Europäischen Parlaments eine neue Studie zur Rechtmäßigkeit der geplanten Chatkontrolle-Verordnung vorgestellt. Die Rechtsexperten kommen zu dem Schluss, dass “bei Abwägung der von den Maßnahmen des CSA-Vorschlags betroffenen Grundrechte festgestellt werden kann, dass der CSA-Vorschlag in Bezug auf die Nutzer gegen die Artikel 7 und 8 der Grundrechtecharta verstoßen würde. Dieser Verstoß gegen das Verbot einer generellen Vorratsdatenspeicherung und das Verbot genereller Überwachungspflichten ist nicht zu rechtfertigen.”
Außerdem machen die Experten deutlich, dass ein “Anstieg der Anzahl der gemeldeten Inhalte nicht unbedingt zu einem entsprechenden Anstieg der Ermittlungsverfahren und der Strafverfolgung und damit zu einem besseren Schutz der Kinder führt. Solange die Kapazität der Strafverfolgungsbehörden auf ihre derzeitige Größe beschränkt ist, wird eine Zunahme der Meldungen eine effektive Verfolgung von Missbrauchsdarstellungen erschweren.”
Zudem heißt es in der Stellungnahme: “Es ist unbestritten, dass Kinder davor geschützt werden müssen, Opfer von Kindersmissbrauch und Missbrauchsdarstellungen online zu werden…, aber sie müssen auch in der Lage sein, den Schutz der Grundrechte als Grundlage für ihre Entwicklung und ihren Übergang ins Erwachsenenalter zu genießen.”
Der Europaabgeordnete der Piratenpartei Dr. Patrick Breyer, Schattenberichterstatter (Verhandlungsführer) seiner Fraktion im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten (LIBE) und langjähriger Gegner der Chatkontrolle, kommentiert:
„Der Wissenschaftliche Dienst des EU-Parlaments bestätigt nun schwarz auf weiß, wovor ich und zahlreiche Menschenrechtler, Strafverfolger, Rechtsexperten und der Kinderschutzbund schon seit langem warnen: Die geplante verdachtslose, flächendeckende Nachrichten- und Chatkontrolle zerstört das digitale Briefgeheimnis und ist grundrechtswidrig. Außerdem würde Flut an meist falschen Verdachtsmeldungen effektive Ermittlungen erschweren, Kinder massenhaft kriminalisieren und an den eigentlichen Missbrauchstätern und Produzenten solchen Materials vorbei gehen.
Niemand hilft Kindern mit einer Verordnung, die unweigerlich vor dem Europäischen Gerichtshof scheitern wird, weil sie gegen die Charta der Grundrechte verstößt.
Was wir anstelle totalitärer Chatkontrolle und Ausweispflichten wirklich brauchen, ist eine längst überfällige Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörden, bekanntes Missbrauchsmaterial im Internet zu löschen, sowie europaweite Standards für wirksame Präventionsmaßnahmen, Opferhilfe und -beratung und zeitnahe strafrechtliche Ermittlungen.“
Bei Vorstellung der Studie im Innenausschuss wurden kritische Fragen auch von Sven Simon (CDU), Birgit Sippel (SPD) und Moritz Körner (FDP) gestellt.
Ergänzung: Der Volltext der Studie inzwischen veröffentlicht.