Verfassungswidriger Unions-Vorstoß zur Einführung einer Sperrklausel zur Europawahl
Den Vorstoß von CDU/CSU im Bundestag, trotz mehrerer Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts eine 2%-Sperrklausel zur Europawahl einführen zu wollen[1], verurteilt der Jurist und Europaabgeordnete der Piratenpartei Dr. Patrick Breyer als demokratiefeindlich und verfassungswidrig:
„Der Vorstoß der Union, ihre eingebrochenen Wahlergebnisse durch Unter-den-Nagel-Reißen der Sitze alternativer Parteien kompensieren zu wollen, ist nicht nur demokratiefeindlich. Der Gesetzentwurf ist schon deshalb klar verfassungswidrig, weil eine Sperrklausel laut Wissenschaftlichem Dienst des Bundestags frühestens zur übernächsten Europawahl eingeführt werden dürfte. Europa braucht mehr Mitbestimmung und politische Ideen, nicht weniger. Wer Millionen von Bürgern, die von den etablierten Parteien enttäuscht sind, keine andere Wahl lässt, treibt sie entweder in die Arme der AfD oder lässt sie insgesamt der Wahlurne den Rücken kehren. Beides schadet unserer Demokratie und gefährdet Europa.”
Hintergrund:
Die umstrittene EU-Wahlrechtsreform 2018 liegt zurzeit auf Eis, weil auf EU-Ebene ein neues Reformpaket verhandelt wird. Das Bundesverfassungsgericht hatte Sperrklauseln zur Europawahl wiederholt für verfassungswidrig erklärt. Die Große Koalition hatte 2018 daraufhin auf EU-Ebene eine Mini-Wahlrechtsreform durchgesetzt, die im Wesentlichen ausschließlich die Einführung einer Sperrklausel von mindestens 2% vorschreibt. Vom Grundgesetz abweichen kann Deutschland aber nur, wenn zwei Drittel der Mitglieder des Bundestags und des Bundesrats zustimmen würden. Die Grünen lehnen eine Sperrklausel jedoch ab.
Ins Europaparlament sind 2019 Abgeordnete 14 deutscher Parteien eingezogen, von denen aber nur ein Abgeordneter fraktionslos blieb und zu der angeblichen “Zersplitterung” beitrug. Mit einer Sperrklausel von 2% bei der Europawahl 2019 wären 1,7 Mio. Wählerstimmen für kleine Parteien wie die Piratenpartei verfallen und deren fünf Parlamentssitze stattdessen an CDU, CSU, FDP, Linke und die PARTEI gegangen.
Am 18. Juli 2018 hatte der Rat der Europäischen Union einen Beschluss zur Änderung des Akts zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments gefasst. Die neuen Bestimmungen sehen für Mitgliedstaaten mit mehr als 35 Sitzen im Europäischen Parlament eine verbindliche Sperrklausel in Höhe von 2 bis 5% vor. Diese Neuregelung tritt jedoch nur dann in Kraft, wenn sie von sämtlichen EU-Staaten ratifiziert wird.
In der Antwort des Rates auf die Anfrage Breyers heißt es: „Der Vertrag sieht weder eine rechtliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten vor, diesen Bestimmungen zuzustimmen, noch eine Frist für ein solches Verfahren. Die für das Inkrafttreten des Beschlusses 2018/994 des Rates erforderlichen Mitteilungen über die Zustimmung Zyperns, Deutschlands und Spaniens stehen noch aus.“
[1] https://dserver.bundestag.de/btd/20/040/2004046.pdf und https://dserver.bundestag.de/btd/20/040/2004046.pdf