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Umfrage: Vorratsdatenspeicherung schadet der Bevölkerung

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Im Vorfeld des morgigen Urteils des französischen Verfassungsgerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung bestätigt eine neue Meinungsumfrage, dass Vorratsdatenspeicherung massive gesellschaftliche Probleme verursacht, weil sie von vertraulicher Kommunikation abschreckt.

Massenüberwachung geht auf Kosten der Bevölkerung

Eine repräsentative YouGov-Umfrage, durchgeführt in neun EU-Staaten, bestätigt gravierende Einschüchterungseffekte (chilling effects) einer verdachtslosen Vorratsspeicherung der Verbindungen und Standortdaten der gesamten Bevölkerung. Fast die Hälfte der Befragten in Deutschland (45%) würde auf Beratung durch einen Eheberater, einen Psychotherapeuten oder eine Entzugsklinik per Telefon, Handy oder E-Mail verzichten, wenn sie wüssten, dass ihr Kontakt  registriert wird. Europaweit würden mehr als ein Drittel (34%) der Menschen auf notwendige soziale und medizinische Beratung verzichten.

„Wenn so viele Menschen in Notsituationen keine anonyme Beratung mehr in Anspruch nehmen, kann das zu Gewalt führen und Menschenleben gefährden“, kommentiert der Europaabgeordnete und Bürgerrechtler Dr. Patrick Breyer, der die Umfrage in Auftrag gegeben hat. „Die Vorratsdatenspeicherung ist das erste Überwachungsgesetz, das sich gegen die ganze Bevölkerung richtet. Ärzte, Rechtsanwälte, Betriebsräte, Psychologen und Beratungsstellen leiden ebenso darunter wie die Presse, die auf vertrauliche Quellen angewiesen ist. Die Unterscheidung zwischen Inhalts- und Kommunikationsdaten stimmt heute nicht mehr. Wir wissen heute, nach dem aktuellen Stand der Forschung, dass Metadaten mindestens so sensible Rückschlüsse zulassen wie die Inhalte privater Kommunikation.“

Ein Urteil für Luxemburg, Brüssel und Berlin

Am Freitag, 25. Februar wird das französische Verfassungsgericht (Conseil Constitutionnel) über die Verfassungsmäßigkeit der Vorratsdatenspeicherung in Frankreich urteilen. Die Entscheidung ist wegweisend und kann Einfluss auf laufende Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH)  sowie dem Bundesverfassungsgericht zu Gesetzen zur Vorratsdatenspeicherung haben. In Brüssel betrifft das Urteil aktuelle Pläne der EU-Kommission für einen neuen Vorstoß, Pflichten zur massenhaften Speicherung von Kommunikationsdaten einzuführen. In Berlin wird das Urteil im Kontext der Pläne von Bundesjustizminister Marco Buschmann gelesen werden, der das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung abschaffen will.

Mehrheit in Deutschland lehnt Vorratsdatenspeicherung ab

Der YouGov-Umfrage zufolge lehnen 51% der Befragten in Deutschland eine Vorratsdatenspeicherung ab, während nur 31% dafür und 19% unentschieden sind. Ohne Berücksichtigung der unentschiedenen Antworten ergibt sich ein noch deutlicheres Bild: fast zwei Drittel (62,5% derer, die eine Meinung äußerten, lehnen eine verdachtslose Vorratsdatenspeicherung ab. Nur 37,5% befürworten sie.

In Auftrag gegeben wurde die Umfrage von dem Europaabgeordneten der Piratenpartei Dr. Patrick Breyer (Fraktion Grüne/Europäische Freie Allianz), der in der Vergangenheit gegen das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung Verfassungsbeschwerde erhoben hat. Befragt wurden Bürger:innen aus den Niederlanden, Deutschland, Italien, Frankreich, Österreich, Tschechien, Spanien, Schweden und Belgien. Zum Umfrageergebnis erklärt Breyer:

„Die Umfrageergebnisse machen erneut deutlich, wie dramatisch die Folgen der Einführung einer verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung auf die Bevölkerung sind. Wenn Menschen aus Angst vor Überwachung darauf verzichten, wichtige medizinische und familiäre Beratungsangebote wahrzunehmen, ist das katastrophal. Das Leben und die Gesundheit potenzieller Opfer von Gewalttaten kann in vielen Fällen nur durch anonyme Beratung geschützt werden (z.B. Telefonseelsorge, Hotlines). Viele Täter sind nur im Schutz der Anonymität bereit, sich helfen zu lassen, wobei sie vielfach von geplanten Gewalttaten abgebracht oder von der Notwendigkeit einer Behandlung überzeugt werden können. Und viele Opfer können sich nur im Rahmen anonymer Beratung entschließen, Täter anzuzeigen – eine unverzichtbare Voraussetzung von Strafverfolgung.

Bei dem Vorhaben einer europaweit flächendeckenden IP-Vorratsdatenspeicherung, dem die Luxemburger Richter zuletzt unter massivem Druck zugestimmt hatten, herrscht leider aktuell die größte Einigkeit. Dabei dürfen keinesfalls alle Internetnutzer unter Generalverdacht gestellt und die Anonymität im Netz abgeschafft werden. Eine generelle und undifferenzierte Vorratsspeicherung unserer Identität im Internet ermöglicht die Erstellung aussagekräftiger Persönlichkeits- und Bewegungsprofile praktisch jeden Bürgers in noch höherem Maße als Telefon-Verbindungsdaten. Es ist im Übrigen nicht nachzuweisen, dass eine Internet-Vorratsdatenspeicherung überhaupt einen statistisch signifikanten Beitrag zu der Zahl der aufgeklärten Straftaten leistete, nachdem die sechsmonatige IP-Vorratsdatenspeicherung im Jahr 2009 die Aufklärungsquote nicht gesteigert hat.“