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Privates Blitzen auf der A7 verhindern!

Wirtschaft und Verkehr

informieren-statt-abzockenDer Landrat des Kreises Rendsburg-Eckernförde will die Geschwindigkeitsbegrenzung auf der A7 im Bereich der maroden Rader Hochbrücke (60 km/h für Lkw) mit stationären Blitzern kontrollieren, die von einem Privatunternehmen betrieben werden sollen – das gab es noch nie in Schleswig-Holstein. An jeder Geschwindigkeitsüberschreitung soll das Unternehmen mitverdienen. Obwohl die Blitzer dem Schutz der Brückensubstanz dienen sollen und dazu eine Ankündigung der Kontrollen am wirksamsten wäre, ist von einer Beschilderung keine Rede. Eine Beschilderung würde den Verkehr abbremsen, aber weniger Einnahmen bedeuten. Bei alledem ist fraglich, ob Lebensdauer der Brücke tatsächlich von der gefahrenen Geschwindigkeit abhängt.
In einem Brief an die Mitglieder des Hauptausschusses, die heute nachmittag entscheiden, habe ich diese gebeten, der Vorlage des Landrats so nicht zuzustimmen. Nach einem Zeitungsbericht lässt der Landrat meine Kritik prüfen. Hier mein Schreiben im Wortlaut:

An die Mitglieder des Hauptausschusses
des Kreistags Rendsburg-Eckernförde
Sehr geehrte Mitglieder des Hauptausschusses,
am 28. Mai entscheiden Sie über eine Beschlussvorlage des Landrats zur Geschwindigkeitsüberwachung auf der Rader Hochbrücke (TOP Ö5). Mit den entsprechenden Überlegungen haben wir uns im Landtag sowohl unter dem Gesichtspunkt der Transparenz von Radarkontrollen (http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl18/drucks/1600/drucksache-18-1667.pdf) als auch unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit des vom Ministerium angedachten „Section-Control“-Verfahrens (http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl18/drucks/2600/drucksache-18-2694.pdf) bereits beschäftigt.
Aus den folgenden Gründen bitte ich Sie, dieser Beschlussvorlage so nicht zuzustimmen:
1. Unzulässigkeit einer Geschwindigkeitsmessung durch private Firma
Von einer Kostenneutralität geht die Beschlussvorlage nur deshalb aus, weil die Geschwindigkeitsmessung gegen Zahlung einer „Datensatzpauschale“ durch ein Privatunternehmen durchgeführt werden soll.
Nach eindeutigen Gerichtsurteilen ist die planmäßige Durchführung von Geschwindigkeitsmessungen durch private Firmen im Rahmen der Verkehrsüberwachung zur Ermittlung und Dokumentation von Ordnungswidrigkeiten mangels einer gesetzlichen Ermächtigung jedoch unzulässig und verstößt gegen das Grundgesetz (Urteile des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 05.03.1997 und vom 11.07.1997, Az. 1 ObOWi 785/96 und 1 ObOWi 282/97). Maßnahmen der Geschwindigkeitsüberwachung und die Ermittlung und Verfolgung der sich daraus ergebenden Verkehrsverstöße gehörten zum Gesamtkomplex der öffentlichen Sicherheit und damit zum Kern der originären Staatsaufgaben. Diese Aufgaben im hoheitlichen Funktionsbereich seien nach Art. 33 Abs. 4 GG in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes vorbehalten, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. In Schleswig-Holstein gibt es keine gesetzliche Ermächtigung der Kommunen, Geschwindigkeitsmessungen gewinnstrebenden Privatunternehmen zu übertragen. Der Wirtschaftsminister kann keine gesetzliche Ermächtigung schaffen, und das Parlament wird sicherlich nicht zur einer Privatisierung hoheitlichen Aufgaben bereit sein.
2. Fehlende Beschilderung der geplanten Geschwindigkeitsmessung
In der Beschlussvorlage fehlt der Auftrag an die Verwaltung, mit dem Land zu vereinbaren, dass die Geschwindigkeitskontrolle in jedem Fall auf Schildern anzukündigen ist.
Wenn die geplante Geschwindigkeitskontrolle tatsächlich bezweckt, die Lebensdauer der Rader Hochbrücke zu verlängern, kann dieses Ziel am wirksamsten durch Ankündigung der Messung auf Schildern erreicht werden. Die Warnung vor einer Geschwindigkeitskontrolle senkt die Geschwindigkeit am effektivsten – zumal gerade die Lkw-Fahrer oft ortsfremd sein oder aus dem Ausland kommen werden, die Anlage also nicht kennen werden. Eine unangekündigte, überraschende Messung wäre der Lebensdauer der Brücke abträglich und würde die „Blitzer“ deshalb nachvollziehbarerweise dem Vorwurf der „Abzocke“ durch „Radarfallen“ aussetzen.
Wenn überhaupt eine stationäre Geschwindigkeitsüberwachung zum Schutz der Brücke erfolgen soll, dann sollte die Kontrolle rechtzeitig auf Schildern angekündigt werden. Ich erlaube mir allerdings die Anmerkung, dass auf einer Tagung der Straßenbauingenieure zu hören war, dass die gefahrene Geschwindigkeit für die Lebensdauer der Brücke weniger von Bedeutung sei; hauptsächlich komme es auf die Belastung – also die Fahrzeugabstände – an. Eine Abstandsmessung ist aber nicht vorgesehen, so dass die Tauglichkeit einer Geschwindigkeitsmessung zur Verlängerung der Lebensdauer aus meiner Sicht fraglich ist.
Bitte setzen Sie sich für eine Berücksichtigung dieser Umstände bei der Beschlussfassung am Donnerstag ein. So wie es bisher geplant ist, sollten die stationären Geschwindigkeitskontrollanlagen auf der A7 nicht errichtet werden.
Mit freundlichem Gruß

Ergänzung vom 01.06.2015: Auch das Oberlandesgericht Frankfurt hat private Geschwindigkeitsmessungen für unzulässig erklärt (Az. 2 Ss Owi 388/02), ebenso das Oberlandesgericht Naumburg (Az. 2 Ss Bz 25/12).
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