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Politische Werbung: EU-Parlament bekämpft Cookie-Banner, nicht aber Wählermanipulation und Microtargeting

Allgemein Freiheit, Demokratie und Transparenz Pressemitteilungen

Heute beschließen die Abgeordneten des EU-Parlaments neue Regeln zu Transparenz und Targeting politischer Werbung, die im Wesentlichen ab 2025 gelten sollen. Neben einer öffentlich zugänglichen Sammlung politischer Werbung („Ad library“) konnte das EU-Parlament unter Beteiligung des EU-Abgeordneten der Piratenpartei Dr. Patrick Breyer erstmals ein Verbot lästiger Einwilligungsbanner durchsetzen, wenn der Nutzer per Browser-Voreinstellung („do not track“) personalisierte politische Werbung ablehnt. Das Parlament konnte auch erreichen, dass die Einwilligung in politische Überwachungswerbung nicht als Vorbedingung für die Nutzung von Internetportalen erzwungen werden darf („tracking walls“). Demgegenüber bleiben entgegen der Absicht des Parlaments gezielte politische Botschaften anhand der individuellen Vorlieben, Schwächen, Lebenssituation oder Persönlichkeit jedes Nutzers zulässig (sog. Überwachungswerbung). Der EU-Abgeordnete und digitale Freiheitskämpfer der Piratenpartei Dr. Patrick Breyer, der die Verordnung für den Innenausschuss mit verhandelt hat, zieht Bilanz:

„Mit diesem Gesetz läuten wir das Anfang vom Ende lästiger Cookiebanner und unverschämter Zwangseinwilligungsanforderungen ein. Jeder Nutzer wird sich für oder gegen politische Überwachungswerbung entscheiden können – aber die Folgen sind für den Durchschnittsverbraucher nicht zu überblicken.
Die digitale Manipulation von Wahlen im Stil von Cambridge Analytica, gezielte Desinformation vor Volksabstimmungen wie dem Brexit, widersprüchliche Wahlversprechen an unterschiedliche Wählergruppen à la FDP – all das bleibt zulässig. Davon profitieren vor allem antidemokratische und antieuropäische Kräfte: Sie können mithilfe von Überwachungswerbung weiterhin Hassbotschaften und Lügen gezielt bei denjenigen Wählerinnen und Wählern platzieren, die dafür empfänglich sind, um so unsere Demokratie zu zersetzen.

Hier haben sich kurzsichtige Eigeninteressen der Regierenden an Wahlwerbung und das überwachungskapitalistische Profitinteresse der Digitalindustrie zu einer für die Demokratie toxischen Mischung verbunden. Transparenz reicht nicht – so können wir der Zersetzung unserer Demokratie lediglich besser zusehen.“

Anja Hirschel: “Dass die Browsereinstellung “do not track” endlich berücksichtigt werden soll ist ein großer Erfolg. So muss sich kein Nutzer mehr ständig zwischen Komfort beim Surfen und Datenschutz entscheiden. Eine Einstellung genügt in Zukunft.

Dass Miktotargeting ohne Kennzeichnung weiterhin möglich ist, bewirkt ein weiteres Verschieben der erlebten Onlinerealität. Wenn Inhalte stets nur passend auf meine statistisch berechneten und angenommenen Interessen hin angezeigt werden, dann wird das Informationsangebot kleiner. ohne dass dies für mich als Konsumenten ersichtlich ist. Mehr Transparenz und eine Option “Neutralstellung” würden eine Verschiebung hin zu immer einseitigeren Informationen verhindern.”

Das bestehende Verbot im Digitale-Dienste-Gesetz (Digital Services Act), die politische Meinung des Nutzers, seine sexuelle Orientierung oder Gesundheit nicht für Werbezwecke analysieren zu dürfen, bleibt erhalten. In der Praxis wird politische Werbung aber eher an passenden Interessen und anderen Korrelationen ausgerichtet, was zulässig bleibt. Auch Cambridge Analytica analysierte vor der Wahl von Trump zum US-Präsidenten nicht die politische Meinung, sondern die Persönlichkeit der Nutzer.

Die neuen Regeln sollen im Wesentlichen 2025 in Kraft treten.