Piratenabgeordnete fordern Abrüstung der weltweiten “Geheimdienstarsenale”
Landtagsabgeordnete der Piratenpartei haben auf einem bundesweiten Treffen heute internationale Verhandlungen über das Abrüsten der weltweiten “Geheimdienstarsenale” unter der Kontrolle eines internationalen Aufsichtsgremiums gefordert. Vor dem Hintergrund der globalen Telekommunikationsdurchleuchtung durch NSA und GCHQ sei eine Zusammenarbeit der nationalen Geheimdienstkontrollstellen ebenso geboten wie perspektivisch die Schaffung eines internationalen Kontrollgremiums zur Überwachung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Geheimdienste.
In Deutschland müsse auf die Abschaffung der In- und Auslandsgeheimdienste (Verfassungsschutz, BND und MAD) hingearbeitet werden, denn nicht erst der NSU-Skandal und die Pannen und strukturellen Probleme beim Verfassungsschutz haben gezeigt, dass Geheimdienste sich ihrer Natur nach einer demokratischen Kontrolle weitgehend entziehen. Als Sofortmaßnahmen auf dem Weg bis zur Abschaffung fordern die Piraten die Einführung effektiver Richtervorbehalte sowie einer Benachrichtigungspflicht, eines regelmäßigen öffentlichen Berichtswesens und grundsätzlich öffentliche Sitzungen der parlamentarischen Kontrollgremien.
Die Resolution ist heute in Berlin auf einem Treffen von Piratenabgeordneten aus den Landtagen von Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Saarland und Berlin beschlossen worden.
Ihr vollständiger Text lautet:
Die Piratenfraktionen in den Landtagen setzen sich dafür ein, die Geheimdienste in Bund und Ländern abzuschaffen und die geheimdienstlichen Aufgaben keiner anderen Organisation zu übertragen.
Unsere Auffassung einer freien und demokratischen Gesellschaft ist mit der Existenz von Geheimdiensten nicht vereinbar. Nicht erst der NSU-Skandal und die Pannen und strukturellen Probleme beim Verfassungsschutz haben gezeigt, dass Geheimdienste sich einer demokratischen Kontrolle weitgehend entziehen und dazu neigen, ein bedenkliches Eigenleben entwickeln. Nicht erst der NSA-Skandal und die Enthüllungen um PRISM und TEMPORA haben gezeigt, dass die bestehende Logik der Geheimdienste im Informationszeitalter hin zu einer Totalüberwachung der Menschheitskommunikation führt.
Kein Staat hat das Recht, ohne Anlass und Verdacht seine Bevölkerung auszuspähen. Erst recht aber gilt dies für das Ausspähen von Menschen außerhalb seines Territoriums, die sich dagegen weder rechtlich noch über demokratisch legitimierte Institutionen zur Wehr setzen können. So wenig wie es ein Internet “auf deutschem Boden” gibt, gibt es einen “guten” Auslandsgeheimdienst.
Wir befürworten internationale Verhandlungen über das Abrüsten der weltweiten “Geheimdienstarsenale” unter der Kontrolle eines internationalen Aufsichtsgremiums. Der Logik der Deeskalation folgend, sollte Deutschland hier von sich aus schon die ersten Schritte tun. Letztendlich bedeutet das die Abwicklung von BND, Verfassungsschutz und MAD.
Nicht nur einzelne Dienste, sondern die gesamte sogenannte “Sicherheitsarchitektur” gehört auf den Prüfstand. Hier beobachten wir in den letzten Jahren – etwa beim BKA-Gesetz – eine zunehmende Übertragung von Befugnissen auf Polizeibehörden, die bereits in den nachrichtendienstlichen Bereich gehen. Diese Entwicklung muss zurückgedreht werden. Die Konsequenz aus einer Abschaffung der Geheimdienste darf nicht die Etablierung einer Geheimpolizei sein.
Mit der Abschaffung der Geheimdienste als langfristiges Ziel setzen wir uns bis dahin für alle Maßnahmen und Reformen ein, die geeignet sind, die Kontrolle über die bestehenden Dienste zu verbessern, unverhältnismäßige Grundrechtseingriffe ihrerseits zu unterbinden oder abzuschwächen und die öffentliche Diskussion über Sinn und Aufgabe von Geheimdiensten voranzubringen.
Auf dem Weg zur Abschaffung der Dienste, fordern wir folgende Sofortmaßnahmen zur Stärkung der Kontrolle:
- Informationspflicht (Überwachte nach der Maßnahme informieren)
- Veröffentlichungspflicht der Unterlagen der parlamentarischen Kontrollgremien nach 10 Jahren
- Zusammenarbeit der nationalen Geheimdienstkontrollstellen, perspektivisch internationales Kontrollgremium zur Überwachung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Geheimdienste (auf EU-Ebene: beim Europaparlament angesiedelt)
- regelmäßiger öffentlicher Bericht über durchgeführte Maßnahmen wirksame Richtervorbehalte einführen und volle Kontrolle durch die
Gerichte- Zuständigkeit der Datenschutzbeauftragten klarstellen, Recht sich bei Beanstandungen an die Öffentlichkeit zu wenden
- grundsätzlich öffentliche Sitzungen der parlamentarischen Kontrollgremien
- Befugnisse und Personal der parlamentarischen Kontrollgremien stärken
Kommentare