Piraten wirken: Neues Wahl- und Volksabstimmungsrecht für Schleswig-Holstein einfach erklärt
Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat heute ein neues Wahl- und Volksabstimmungsrecht für Schleswig-Holstein beschlossen, und wir PIRATEN haben in verschiedenen Punkten mehr Demokratie durchsetzen können:
- Unterschriften für Volksinitiativen (benötigt werden 20.000) können künftig auch auf der Straße gesammelt werden. Dass künftig überall auf der Straße über politische Initiativen diskutiert und Unterschriften gesammelt werden können, tut unserer Demokratie gut.
- Volksinitiativen können künftig auch über das Internet mitgezeichnet werden – wie von uns gefordert. Leider soll das nach dem Willen der Mehrheitsfraktionen aber nur mit Personalausweis-Lesegerät möglich sein. Wir PIRATEN hätten uns eine formlose Eintragung der persönlichen Daten wie bei der Europäischen Bürgerinitiative gewünscht. Die Volksinitiative muss im digitalen Zeitalter ankommen und so einfach zu unterzeichnen sein, dass sie auch genutzt wird. Nach dem komplizierten Verfahren der Koalition wird die Partizipation über das Internet zum Rohrkrepierer.
- Wenn der Landtag einen Gegenvorschlag mit zur Volksabstimmung stellt, kann der Wähler künftig beide Vorschläge unterstützen und eine Präferenz angeben. Dies verhindert, dass ein minimal veränderter Gegenvorschlag das Lager der Unterstützer teilt und dann keine Variante eine Mehrheit findet.
- Bundesweit zum ersten Mal werden Menschen, die in allen Angelegenheiten von einem Betreuer unterstützt werden, nicht länger vom Wahlrecht ausgeschlossen. Dies fordern wir PIRATEN seit 2013.
- In Wahlkabinen sollen künftig keine radierbaren Bleistifte mehr ausgelegt werden, weil dies immer wieder Wähler verunsichert.
Einen Demokratieabbau konnten wir auch verhindern: Nach massiver Kritik und einem von uns beauftragten Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes hat die Koalition ihr ursprüngliches Vorhaben aufgegeben, den Einzug kleiner Parteien in Kommunalparlamente zu erschweren. Das ist ein großer Erfolg für uns PIRATEN und die demokratische Vielfalt im Norden. Einzelmitglieder oder kleinere Fraktionen sind generell ein Gewinn für jedes Kommunalparlament, weil sie frischen Wind und neue Ideen einbringen.
Viele weitere unserer Vorschläge lehnten SPD, Grüne und SSW jedoch ab:
- Abgelehnt wurde unser Vorschlag, zur Landtagswahl eine Ersatzstimme einzuführen. Wähler hätten mit dieser Ersatzstimme eine “zweite Wahl” treffen können für den Fall, dass ihre erste Wahl an der Sperrklausel scheitert. Eine Reihe von Experten wie Mehr Demokratie hatten sich von einer Ersatzstimme ein Ende des “Stimmentods” für bis zu 14% der Wähler wie zuletzt in Sachsen-Anhalt versprochen. Wir PIRATEN meinen: Wir müssen etwas gegen den massenhaften Stimmenverfall durch die Sperrklausel bei Landtagswahlen unternehmen – und dazu brauchen wir die Ersatzstimme. Der SSW ist von der Sperrklausel ausgenommen. Wenn die Koalition den Wählern anderer kleiner Parteien nicht einmal eine Ersatzstimme einräumen will, will sie offenbar in eigener Sache ihre Wahlchancen verbessern statt den Wählerwillen besser umzusetzen. Wir werden diese Forderung, der sich die Grünen angeschlossen haben, im Wahlkampf weiter verfolgen.
- Kommunale Bürgerentscheide in Angelegenheiten, die an Ämter delegiert wurden, bleiben unzulässig. Experten wie der Landesbeauftragte für politische Bildung warben vergeblich für unseren Vorschlag. Normalerweise können die Bürger Streitigkeiten über kommunale Infrastruktur- und Versorgungseinrichtungen (z.B. Wasser- und Energieversorgung, Straßenbau, Kindertagesstätten, Schulen) durch Bürgerentscheid selbst entscheiden. Die Zulässigkeit von Bürgerentscheiden hängt nach der heutigen Entscheidung leider weiterhin von der zufälligen Zuständigkeit eines Amtes ab.
- Anders als bei kommunalen Bürgerentscheiden soll vor Volksabstimmungen auf Landesebene kein Abstimmungsheft verschickt werden, in dem jede Seite ihre Argumente darstellen und auch auf die Argumente der anderen Seite eingehen kann. Kaum verständlich, denn Entscheidungen zu treffen, setzt eine hinreichende Information über das Für und Wider der einzelnen Entscheidungsmöglichkeiten voraus. Auch in Anbetracht der geringen Zahl von Volksentscheiden auf Landesebene wäre der Aufwand des Versands eines Informationshefts gerechtfertigt gewesen.
- Obwohl es die Briefwahl gibt, soll die Eintragung für eine Volksinitiative per Brief nicht zugelassen werden.
- Volksabstimmungen sollen weiterhin nicht verpflichtend mit dem nächsten Wahltermin zusammenzulegen sein. Wir haben dies gefordert, um das Scheitern eines Volksentscheids an mangelnder Teilnahme zu verhindern. Es ist nicht akzeptabel, dass der Landtagspräsident den Tag eines Volksabstimmung frei festlegen und damit über Erfolg oder Scheitern eines Volksentscheids entscheiden soll. Wegen der viel zu hohen Hürden ist die Teilnahme von genug Menschen entscheidend für den Erfolg einer Volksinitiative.
- Wer eine Volksinitiative unterstützen will, muss weiterhin sein volles Geburtsdatum angeben – anders als in Hamburg.
- Die Privatanschrift von Wahlkandidaten wird weiterhin veröffentlicht. Berlin hat sich davon verabschiedet, nachdem Politiker bedroht worden waren.
Mein Fazit: Erst wenn die Politik der Mündigkeit der Bürger vertraut und die direkte Demokratie massiv stärkt, erst wenn wir regelmäßige Volksabstimmungen bekommen, werden die Bürger wieder mehr Vertrauen in die Politik fassen und sich stärker beteiligen. Wir PIRATEN bleiben die Schrittmacher für mehr direkte Demokratie in Schleswig-Holstein und werden im Landtagswahlkampf ansprechen, warum direkte Demokratie im Norden bisher nicht funktioniert!
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