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Piraten-Klage: Landgericht verweigert Entscheidung über Zulässigkeit der freiwilligen Chatkontrolle

Freiheit, Demokratie und Transparenz Pressemitteilungen

Kurze Zeit bevor das Europäische Parlament heute die Genehmigung zur freiwilligen Chatkontrolle durch US-Dienste wie Facebook, Instagram oder GMail um zwei Jahre verlängern will, gibt das Landgericht Kiel einen Rückschlag der Klage des Piraten-Europaabgeordneten Dr. Patrick Breyer gegen die Maßnahme bekannt: Es traf keine Entscheidung über Zulässigkeit der freiwilligen Chatkontrolle durch Meta, sondern lehnte die Klage in erster Instanz aus formalen Gründen ab. So könne Breyer der Chatkontrolle durch manuelle Aktivierung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung in jedem Chat entgehen. Zum anderen könne Breyer “die Durchsetzung einer politischen Kampagne … nicht im Rahmen eines Zivilprozesses” verfolgen. Breyer kündigt Berufung gegen die Entscheidung an:

“Ich schalte jetzt das Oberlandesgericht ein, damit Meta endlich sichere Verschlüsselung für alle Chats voreinstellt und die eigenmächtige wahllose Chatkontrolle auch durch andere Anbieter als Verstoß gegen das digitale Briefgeheimnis gestoppt wird. Zuckerbergs Meta-Konzern hat im Prozess alles daran gesetzt, zu verhindern, dass über die Zulässigkeit seiner eigenmächtigen, verdachtslosen Chatkontrolle entschieden wird. Das wird ihm auf Dauer nicht gelingen.” Breyer verweist auch auf die anhängige Parallelklage eines Missbrauchsbetroffenen vor dem Landgericht Passau, die von der Gesellschaft für Freiheitsrechte unterstützt wird.

“Es macht mich wütend, dass sich US-Konzerne mithilfe fehleranfälliger Verdächtigungsmaschinen zum Privatkontrolleur unserer persönlichen Nachrichten aufschwingen wollen. Dieser Big Brother-Angriff auf unsere Handys, Privatnachrichten und Fotos mithilfe fehleranfälliger Algorithmen ist, wie wenn die Post alle Briefe öffnen und scannen würde – ineffektiv und illegal. Missbrauchsbetroffene kritisieren schon länger, dass die Chatkontrolle ihnen durch Zerstörung privater Räume bei Hilferufen, Austausch, Therapie und Beratung schadet, statt zu helfen. Unsere ohnehin überlasteten Ermittler mit vielfach falschen Maschinendenunziationen zu überfluten und dadurch Kapazitäten für Ermittlungen gegen die Hintermänner zu stehlen, hat mit Effizienz nichts zu tun. Organisierte ‘Kinderporno-Ringe’ benutzen keine unverschlüsselten Messengerdienste. Folge ist vor allem die massenhafte Kriminalisierung Jugendlicher wegen unbedachter Chatnachrichten oder einvernehmlichem Sexting – so wird das Gegenteil von Kinderschutz erreicht.” Breyer verweist auf die gestern veröffentlichte polizeiliche Kriminalstatistik, derzufolge im vergangenen Jahr fast 40% der Tatverdächtigen wegen “Kinderpornografie” minderjährig waren.

Die EU-Innenminister beraten unterdessen über eine weltweit einzigartige Folgeverordnung (Chatkontrolle 2.0), welche die Chatkontrolle verpflichtend machen und sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zerstören soll.

Breyers Infoportal zur Chatkontrolle