Neue Fragen an Justizministerium zu Vorwurf der Einflussnahme auf die Justiz
Hinsichtlich des Vorwurfs, das Justizministerium habe der Justiz für den Fall einer bestimmten Entscheidung mit der Veröffentlichung des Namens der zuständigen Richterin gedroht, liegt nun eine Stellungnahme des Ministeriums vor.
Danach seien in dem fraglichen Telefonat “mögliche Weiterungen in der Sache erörtert worden […], insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Eskalation der Ereignisse in Neumünster im observationslosen Zeitraum, mit Folgen für die Bevölkerung oder den Betroffenen. In diesem Zusammenhang hat [der Abteilungsleiter im Justizministerium] gegenüber [dem Amtsgerichtsdirektor] die Befürchtung geäußert, dass das Innenministerium in einem solchen Fall den Namen der zuständigen Richterin mitteilen könnte. Er […] wisse nicht, ob es dem Justizministerium dann gelingen könnte, die zuständige Richterin und das Gericht zu schützen.”
Im Vorfeld der heute anstehenden Anhörung der Justizministerin im Innen- und Rechtsausschuss habe ich dem Ministerium folgende Nachricht übermittelt:
Sehr geehrte[…],
ich danke für die Übersendung der Briefs der Ministerin, dessen anonymisierte Veröffentlichung ich begrüßen würde.
Der Brief hat viele Fragen beantwortet, andere allerdings neu aufgeworfen. Folgende Fragen möchte ich in der heutigen Aussschusssitzung stellen:
1. Auf welcher rechtlichen Grundlage hält sich das Ministerium für befugt, einen politisch brisanten Pressebericht zum Anlass zu nehmen, sich (hier: am Donnerstag, den 30.08.2012) aus einem anhängigen Gerichtsverfahren berichten zu lassen, selbst wenn kein Anhaltspunkt für eine zu beanstandende Amtsführung vorliegt? Ist es nach Auffassung und Praxis des Ministerium Bestandteil der Dienstaufsicht, sich im Hinblick auf parlamentarische oder journalistische Anfragen über politisch brisante Gerichtsverfahren berichten zu lassen, bei denen (hier: am Donnerstag, den 30.08.2012) kein Anhaltspunkt für eine ordnungswidrige Art der Amtsführung vorliegt?
2. Entspricht die nunmehrige Darstellung des Telefonats zwischen Ministerium und Amtsgerichtsdirektor, wonach von Seiten des Justizministeriums eine mögliche Veröffentlichung des Namens der Richterin nur durch das Innenministerium und nur im Fall einer “Eskalation” der Ereignisse im observationslosen Zeitraum ins Spiel gebracht worden sei, dem Inhalt der ursprünglich eingeholten schriftlichen dienstlichen Stellungnahmen?
3. Stellt es nach Meinung des Justizministeriums keine Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit dar, wenn das Ministerium mit der Justiz erörtert, welche (negativen) Auswirkungen es haben könne, wenn das Gericht eine bestimmte Entscheidung trifft oder nicht trifft?
4. Stellt es nach Ansicht des Justizministeriums keine Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit dar, wenn der Innenminister in der Öffentlichkeit die Verfahrensentscheidung eines Gerichts mit den Worten „unverständlich“ und „Das versteht kein Mensch“ kritisiert (Kieler Nachrichten vom 01.09.2012)? Warum hat sich das Ministerium diesbezüglich nicht ebenso öffentlich vor die Justiz gestellt?
5. Ist vor der Veröffentlichung des Schreibens vom 12.09.2012 an die Richterverbände eine Stellungnahme der zuständigen Richterin zu der darin wiedergegebenen Darstellung des Innenministers eingeholt worden, sie habe der Polizei den Rat erteilt, die Observation bis zur Anhörung des Betroffenen ohne richterliche Anordnung fortzusetzen? Wenn nein, warum ist ihr keine Gelegenheit zu einer (ggf. erforderlichen) Gegendarstellung gegeben worden?
Mit freundlichem Gruß,
Patrick Breyer
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