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Missbrauchsbetroffener klagt gegen die Chatkontrolle

Allgemein Pressemitteilungen

Ein Missbrauchsbetroffener aus Bayern hat heute mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte Klage gegen die freiwillige Chatkontrolle durch den US-Konzern Meta eingereicht.[1] Schneider (Name geändert) will sich in vertraulichen Direktnachrichten mit anderen Missbrauchsbetroffenen austauschen können, ohne befürchten zu müssen, dass dieser Austausch von Metas Algorithmen als „verdächtig“ eingestuft und mitgelesen wird.

Mit seiner Klage will Schneider die Praxis US-amerikanischer Digitalkonzerne wie Meta, Google und Microsoft der verdachtslosen und fehleranfälligen Durchsuchung von Privatnachrichten nach vermeintlich verdächtigen Inhalten (sog. freiwillige Chatkontrolle oder Chatkontrolle 1.0) stoppen und die entsprechende EU-Verordnung aus dem Jahr 2021 kippen. Hintergrund der Klage ist eine geplante Nachfolgeverordnung, mit der die bisher nur von US-Anbietern praktizierte verdachtslose Nachrichten- und Chatkontrolle künftig sogar für sämtliche Anbieter von E-Mail-, Messenger- und Chatdiensten verpflichtend werden soll (sog. Chatkontrolle 2.0).

Der Europaabgeordnete der Piratenpartei Dr. Patrick Breyer, der selbst vergangenes Jahr gegen die freiwillige Chatkontrolle vor Gericht gezogen ist[2] und die geplante Verordnung zur verpflichtenden Chatkontrolle zurzeit mit verhandelt, erklärt:

„Missbrauchsbetroffene kritisieren schon länger, dass die Chatkontrolle ihnen durch Zerstörung privater Räume bei Hilferufen, Austausch, Therapie und Beratung schadet, statt zu helfen.[3] Dass sich jetzt aber ein Missbrauchsbetroffener zu einer Klage gegen die Chatkontrolle genötigt sieht, bedeutet: Nie wieder werden sich Bundesüberwachungsministerin Faeser und die anderen Drahtzieher dieses in der freien Welt ungekannten Anschlags auf private und sichere Kommunikation anmaßen können, für ‚die Betroffenen‘ sexuellen Missbrauchs zu sprechen.

Dieser von der EU-Kommission geplante und bereits von den Tech-Unternehmen freiwillig durchgeführte Big Brother-Angriff auf unsere Handys, Privatnachrichten und Fotos mithilfe fehleranfälliger Algorithmen ist ein Riesenschritt in Richtung eines Überwachungsstaates nach chinesischem Vorbild. Chatkontrolle ist, wie wenn die Post alle Briefe öffnen und scannen würde – ineffektiv und illegal.

Selbst intimste Nacktfotos und Sex-Chats können plötzlich bei Unternehmenspersonal oder der Polizei landen. Wer das digitale Briefgeheimnis zerstört, zerstört Vertrauen. Auf Sicherheit und Vertraulichkeit privater Kommunikation sind wir alle angewiesen: Menschen in Not, Missbrauchsopfer, Kinder, die Wirtschaft und auch Staatsbehörden.

Organisierte Kinderporno-Ringe benutzen keine E-Mails oder Messengerdienste, sondern abgeschottete selbst betriebene Foren. Mit ihren Plänen zur Chatkontrolle setzt die EU-Kommission aus kurzfristigen Überwachungswünschen heraus die allgemeine Sicherheit unserer privaten Kommunikation und öffentlicher Netze, Geschäftsgeheimnisse und Staatsgeheimnisse aufs Spiel. Was wir brauchen, ist Löschen statt Schnüffeln – dafür kämpfe ich als Pirat politisch und auch vor Gericht!“

Hintergrund:

Die heutige Klage erhebt schwere Vorwürfe gegen die in den USA praktizierte Methode der Chatkontrolle: Sie dämme die Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen nicht ein, überlaste die Strafverfolgungsbehörden und verdächtige Jugendliche zu Unrecht. Bereits zuvor hatte eine repräsentative Umfrage unter Minderjährigen ergeben, dass sie die vorgeblich ihrem Schutz dienenden Chatkontrollen ablehnen.[4]

Bundesinnenministerin Faeser (SPD) befürwortet die serverseitige Chatkontrolle – auch ihre von der EU jetzt geplante verpflichtende Einführung.

[1] Pressemitteilung zur Klage: https://freiheitsrechte.org/ueber-die-gff/presse/pressemitteilungen-der-gesellschaft-fur-freiheitsrechte/pm_chatkontrolle_facebook

Hintergrundinformationen: https://freiheitsrechte.org/themen/freiheit-im-digitalen/chatkontrolle_facebook

Klageschrift: https://freiheitsrechte.org/uploads/documents/Freiheit-im-digitalen-Zeitalter/Chatkontrolle-Facebook/Klageschrift_Chatkontrolle.pdf

[2] Breyers Klage: https://www.patrick-breyer.de/facebook-verteidigt-flaechendeckende-nachrichten-und-chatkontrolle-vor-gericht/

[3] Kritik anderer Missbrauchsbetroffener:

https://www.linkedin.com/pulse/why-i-dont-support-privacy-invasive-measures-tackle-child-hanff

https://mogis.info/blog/chatkontrolle-dorothee-hahne-nimmt-stellung-zum-aktuellen-gesetzentwurf-des-europaischen-parlaments/

[4] Kritik von Minderjährigen: https://www.patrick-breyer.de/umfrage-zur-chatkontrolle-80-prozent-lehnen-chatkontrolle-ab/

Informationsportale zur Chatkontrolle: www.chatkontrolle.de und www.chat-kontrolle.eu