Leak zum NDR-Skandal: Kieler Führungspersonal behinderte Aufklärung, Europaabgeordneter fordert Entlassung
Der zuerst vom Business Insider gemeldete NDR-interne Untersuchungsbericht, demzufolge neun Kieler NDR-Mitarbeiter der Chefetage eine politische Filterung der Berichterstattung im Sinne der CDU vorwerfen, ist nun im Internet aufgetaucht. Dem Untersuchungsbericht zufolge verhinderten Politikchefin Stein und Fernsehchef Lorentzen, der als CDU-Mann gilt, ein Exklusivinterview mit einem Ex-Minister, mit dem CDU-Ministerpräsidenten Günther eine Lüge und manipulierte Belege hätten vorgehalten werden können. Nach Einschaltung des Redaktionsausschusses versuchten Stein und Lorentzen die Aufklärung durch Einforderung direkter Gespräche mit dem Beschwerdeführer und Verweis auf dessen Krankmeldung zu verhindern und warfen dem Redaktionsausschuss „Verleumdung … ohne jeglichen Beleg“ vor. Sie beantworteten Fragen vollständig erst nach Einschaltung von Funkhausdirektor Thormählen. Der Redaktionsausschuss kritisiert in seinem Bericht, Stein und Lorentzen hätten „die Aufklärung mehrfach verzögert“ und inhaltlich „ähnlich wie der Ministerpräsident“ argumentiert, was den Eindruck der Voreingenommenheit erwecke.
Der Europaabgeordnete der Piratenpartei Dr. Patrick Breyer erklärt zum geleakten Untersuchungsbericht:
Anhand des geleakten Berichts kann sich jetzt jeder selbst davon überzeugen, ob die Kieler NDR-Chefs im Sinne der CDU, deren Mitglied sie teilweise sein sollen, gefiltert und zensiert haben. Zu dem verhinderten Interview des CDU-Ex-Ministers laut Bericht kommen das vom stern berichtete Verschweigen der Trunkenheitsfahrt des engen Parteifreunds des CDU-Ministerpräsidenten Arp im NDR-Fernsehen sowie von Vorwürfen der ‚Amigo-Politik‘ gegen den ehemaligen CDU-Landtagspräsidenten Schlie hinzu, die zu dessen Abschied aus der Politik führten. Während andere Medien diese CDU-Affären ausführlich beleuchteten, hielt der NDR die Berichterstattung klein. Der stellvertretende NDR-Politikchef Böhnke, der ebenfalls als CDU-Mitglied gilt, soll sich Günther sogar als Pressesprecher angedient haben.
Der Eindruck politischer Voreingenommenheit drängt sich hier geradezu auf. Wenn gebührenfinanzierter öffentlich-rechtlicher Rundfunk nicht politisch unabhängig berichtet, brauchen wir ihn nicht. Als tendenziöse Propagandaabteilung der Regierung verliert er seine Existenzberechtigung.
Der Redaktionsausschuss berichtet, NDR-Mitarbeiter wagten es aus Angst vor Konsequenzen nicht Kritik offen zu äußern. Breyer erklärt dazu:
Die politische Berichterstattung und Recherche muss in die Hände fester und unbefristeter Mitarbeiter gelegt werden, die sich politisch unbequeme Fragen und Kritik überhaupt erst leisten können!
Einem Medienbericht zufolge gab es in einer NDR-Mitarbeiterversammlung am Donnerstag unterschiedliche Meinungen zu Parteimitgliedschaften in der Chefetage. Politikchefin Stein sagte, die Leiterin der Politikabteilung könne kein Parteimitglied sein, weil man sonst „in einen Konflikt kommt“. Funkhausleiter Thormählen, der selbst als CDU-Mann gilt, erklärte die Parteimitgliedschaft hingegen zur „Privatsache“ und wies Forderungen nach einer Offenlegung zurück. Auch Fernsehchef und CDU-Mann Lorentzen beantwortet Fragen nach seiner Parteimitgliedschaft nicht. Breyer erklärt dazu:
„Es ist ein inakzeptabler Interessenkonflikt, wenn im Kieler NDR leitende Programmverantwortliche darüber entscheiden, ob und wie über ihre eigene Partei berichtet wird – zumal wenn das Ergebnis eine derart auffällige Hofberichterstattung ist. Nach allem, was wir heute wissen, sind Funkhausleiter Thormählen und Fernsehchef Lorentzen in ihren Positionen nicht haltbar. Um eine ausgewogene und kritische Berichterstattung wieder herzustellen, braucht es jetzt dringend eine personelle und strukturelle Neuaufstellung im NDR Schleswig-Holstein. Jetzt ist genug geredet und bekannt geworden, die Zeit der Konsequenzen ist gekommen!“
Am Montag wird der Landesrundfunkrat die weiteren Schritte beraten.
Beitragsbild: “Mein heutiges Anti #Zensur Dress #Zensur” (CC BY-SA 2.0) by HDValentin