Historische Abstimmung: EU-Parlament will biometrische Massenüberwachung in Europa gesetzlich verbieten
Straßburg, 14/06/2023 – Heute hat das Europäische Parlament in Straßburg für ein Verbot von Echtzeit-Gesichtsüberwachung in der Öffentlichkeit im Rahmen der neuen EU-Verordnung zu Künstlicher Intelligenz, dem Artificial Intelligence Act (AI Act), gestimmt. Automatisierte Verhaltensüberwachung will eine knappe Mehrheit (277:306:38) dagegen nicht verbieten. Mit dieser Position geht das Europäische Parlament in die Trilogverhandlungen mit den EU-Regierungen.
Der Europaabgeordnete und digitale Freiheitskämpfer Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei) freut sich:
“Auch wenn wir ein Verbot der gefährlichen Verhaltensüberwachungstechnologie nicht durchsetzen konnten: Dass sich das Europäische Parlaments für ein Verbot biometrischer Echtzeit-Massenüberwachung im öffentlichen Raum stark macht, ist ein historischer Erfolg für die Bürgerrechtsbewegung und ein klares Zeichen gegen eine dystopische Zukunft der biometrischen Massenüberwachung nach chinesischem Vorbild in Europa. Denn in keinem einzigen Fall konnte biometrische Echtzeit-Überwachung einen Terroranschlag verhindern, wie uns Befürworter glauben machen wollen. Im Gegensatz zu dem, was manche behaupten, gibt es kein einziges Beispiel für eine biometrische Echtzeit-Überwachung, die einen Terroranschlag oder andere Ereignisse dieser Art verhindert hätte. Mit Fehlalarmraten von bis zu 99 % sind diese Technologien nicht annähernd zuverlässig genug, um von Nutzen zu sein. Diese Technologien diskriminieren systematisch unterrepräsentierte Gruppen und haben eine abschreckende Wirkung auf eine freie und vielfältige Gesellschaft.
Die von EU-Regierungen und Kommission geforderten ‚Ausnahmen‘ würden das Verbot gegenstandlos machen, da es immer viele Personen gibt, die per gerichtlichem Haftbefehl gesucht werden. Um auch nur eine einzige Person zu suchen, müsste die Gesichtsüberwachung immer noch alle Personen erfassen – genau das ist Massenüberwachung. Schlimmer noch, solche Ausnahmen werden von Regierungen als ‚Gebrauchsanweisung‘ zur Legitimierung neuer Gesetze zur Massenüberwachung verwendet.
Menschen, die sich ständig beobachtet und überwacht fühlen, können nicht frei und mutig für ihre Rechte und für eine gerechte Gesellschaft eintreten. In den anstehenden Verhandlungen mit den EU-Regierungen müssen wir deshalb für ein Europa frei von dystopischer Massenüberwachung kämpfen.”
Im Vorfeld hatte eine Petition von 250.000 Bürgerinnen und Bürger das Verbot der fehleranfälligen und diskriminierenden Gesichtsüberwachung gefordert.
Plenarrede von Patrick Breyer gestern: https://www.patrick-breyer.de/kuenstliche-intelligenz-unter-staendiger-ueberwachung-sind-wir-nicht-mehr-frei/
Gescheiterter Antrag zum Verbot von automatisierter Verhaltensüberwachung: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-9-2023-0188-AM-790-790_DE.pdf
Grafik zum beschlossenen Verbot automatisierter Verhaltensüberwachung zur freien Verwendung: https://www.patrick-breyer.de/wp-content/uploads/2023/06/230613_Piraten-AutomatischeGesichtserkennung.png
