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“Gezielte” Vorratsdatenspeicherung in Belgien: was unsere Karte zeigt

Europaparlament Freiheit, Demokratie und Transparenz

Mit einem neuen Gesetzesentwurf plant die belgische Regierung Vorratsdatenspeicherung auf fünf Ebenen (Art. 126/1 § 3 ab Seite 330). Unsere Karte zeigt, rot gefärbt, die von der Überwachung betroffenen Gebiete auf der ersten dieser fünf Ebenen, der sogenannten geografisch “gezielten” Vorratsdatenspeicherung. In den rot gefärbten Gebieten würden alle Verbindungs- und Standortdaten aller Bürgerinnen und Bürger auf Vorrat gespeichert werden. Wer sich hier aufhält, wird überwacht. Mit jeder der vier anderen Ebenen würden weitere rot gefärbte Gebiete dazu kommen. In der Praxis ist der pauschale Überwachungsdruck gegen die Bevölkerung weitaus höher, als auf unserer Karte dargestellt. (zur Pressemitteilung)

Eine neue Generation von Gesetzen zur Massenüberwachung

In der Kombination aller Ebenen untergraben die Pläne den Wesensgehalt der Urteile des EU-Gerichtshofs. Dieser gibt vor, dass Überwachung maximal dann möglich ist in temporären, objektiv begründeten Ausnahmefällen und wenn wirklich notwendig. Die Pläne der belgischen Regierung laufen hingegen auf eine dauerhafte und flächendeckende Vorratsdatenspeicherung hinaus. Darum darf dieses Modell keine Blaupause werden für die EU und ihre Mitgliedsländer.

Das Belgische Modell: Überwachung auf fünf Ebenen

Ebene 1 (rot abgebildet in der Karte oben) sieht die geografisch “gezielte” Speicherung von Kommunikationsdaten in Gebieten vor, die im Durchschnitt in den letzten drei Jahren mindestens drei Straftaten pro 1.000 Einwohnern aufweisen. Ausschlaggebend sind durchgeführte und versuchte Straftaten nach Artikel 90ter §§ 2 bis 4 der belgischen Strafprozessordnung. Der Schwellwert von drei Straftateten pro 1.000 Einwohnern wird von der Regierung festgelegt.

In der Praxis sind vorallem dicht besiedelte Gebiete betroffen und damit die große Mehrheit der Bevölkerung. In Kombination mit den vier anderen Ebenen führt das System zu einer praktisch kompletten Überwachung der gesamten Bevölkerung, was gegen EU-Recht verstößt. Generelle, anlasslose Massenüberwachung ist illegal. Das Ziel des Gesetztes ist offenbar genau das. Während der EU-Gerichtshof äußerste Grenzen für Vorratsdatenspeicherung für Ausnahmefälle gesetzt hat, folgt das System der belgischen Regierung den Vorschlägen der EU-Kommission, diese Grenzen in ihrem Wesenskern zu übergehen und die ständige, flächendeckende Überwachung der gesamten Bevölkerung lediglich auf mehrere Maßnahmen aufzuteilen.

Die weiteren vier Ebenen sind in der Karte oben nicht abgebildet.

Ebene 2 sieht eine generelle Vorratsdatenspeicherung im gesamten Staatsgebiet für 12 Monate vor, ab Level drei des fünfstufigen nationalen Bedrohungsniveaus.

Ebene 3 sieht Vorratsdatenspeicherung für besonders gefährdete Gebiete für 12 Monate vor, die der Bedrohung der nationalen Sicherheit oder der Bedrohung durch schwere Verbrechen ausgesetzt sind. Das betrifft Orte, die von allen Menschen frequentiert werden: Häfen, Metros, Flughäfen, Gemeinden mit kritischer Infrastruktur etc.

Ebene 4 sieht Vorratsdatenspeicherung für 12 Monate vor für Zonen mit potenzieller Bedrohung der Interessen des Landes oder der Bevölkerung. Auch diese Ebene erfasst Orte, die von allen Menschen frequentiert werden: Gebäude von ökonomischer oder wissenschaftlicher Bedeutung, Autobahnen, öffentliche Parkplätze, Stadthallen, die belgische Nationalbank etc.

Ebene 5 sieht Vorratsdatenspeicherung für 12 Monate vor für Gebiete mit potenzieller Bedrohung internationaler Institutionen und umfasst unter anderem Gebäude der EU, der NATO, der UN und weitere Gebiete. Das bedeutet, dass Journalisten, Whistleblower und Bürger beispielsweise nicht mehr vertraulich ihre Vertreter im EU-Parlament kontaktieren können.

Die im Entwurf geplante Vorratsdatenspeicherung und weitere Eingriffe in die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger kritisieren der EU-Abgeordnete Patrick Breyer (Grüne/EFA – Piraten), la Ligue des droits humains und der Belgische Datenschutzbeauftragte (NL/FR) in Stellungnahmen an das belgische Parlament.