Planung der Fehmarnbeltquerung outgesourct und geheim gehalten
Die Planung von Straßen und Tunneln ist in Deutschland normalerweise eine öffentliche Angelegenheit, die vom Staat erledigt wird. Anders ist dies im Fall der umstrittenen Fehmarnbeltquerung: Diese wird im Auftrag der Bundesrepublik von der privatrechtlichen Projektgesellschaft Femern A/S geplant. Einer demokratischen Kontrolle durch den Landtag ist die Gesellschaft nicht unterworfen. Stattdessen behält sie sich das Urheberrecht an den Plänen vor und hat sich “Vertraulichkeit” von “Geschäftsgeheimnissen” zusagen lassen.
Dies ergibt sich aus einem hier erstmals veröffentlichten “Verwaltungshelfervertrag” (pdf), den das schleswig-holsteinische Wirtschaftsministerium mit der dänischen Projektgesellschaft im November 2009 geschlossen hat. Die Lektüre lohnt sich.
Das System “Projektgesellschaft” habe ich bereits vor einigen Wochen im Landtag kritisiert:
Leider sind wir in der Vergangenheit mit unseren Straßen nicht so umgegangen, wie ehrbare Kaufleute es tun sollten. So ist es dazu gekommen, dass wir einen hohen Sanierungsstau haben auflaufen lassen. Ein Viertel unserer Landesstraßen ist sanierungsbedürftig und müsste schon längst in der Sanierung sein. Tatsächlich verschlechtert sich der Zustand aber weiter. Vor diesem Hintergrund ist natürlich kein Geld mehr für teure Wunschprojekte der Politik zum Neubau von Straßen vorhanden, die ja im Übrigen noch höhere Unterhaltungskosten nach sich zögen, als wir jetzt schon nicht aufbringen. Der Bundesverkehrswegeplan ist gemessen an Ihren Anmeldungen, Herr Wirtschaftsminister, schon heute um mehr als das Doppelte überzeichnet, wenn man der „sh:z“ glauben darf.
Deswegen haben Sie nun die Idee: Bezahlen soll den Straßenneubau künftig der Autofahrer mit einer Pkw-Maut. Wie in Frankreich sollen Häuschen an die Autobahn gestellt werden, an denen abkassiert werden darf, obwohl die bisherigen Erfahrungen in Deutschland mit diesem Modell katastrophal sind: Im Falle des Warnowtunnels hat sich nicht einmal die Hälfte des prognostizierten Verkehrs eingestellt. Um den Betreiber vor der Insolvenz zu retten, musste ihm zugestanden werden, 20 Jahre länger Maut zu kassieren. Auch bei dem Lübecker Herrentunnel ist nicht einmal die Hälfte des ursprünglich prognostizierten Verkehrsaufkommens eingetreten. Hier hat man die Maut inzwischen mehr als verdoppeln müssen, um das aufzufangen.
Dennoch wollen Sie, Herr Wirtschaftsminister, eine Pkw-Maut selbst dort einführen, wo sich nicht einmal mehr ein privater Investor findet wie im Falle des westlichen Elbtunnels. Das dänische Modell, das Sie propagieren, steht in Dänemark schon längst im Kreuzfeuer der Kritik. Kein anderer als der ehemalige Leiter der Verkehrs- und Straßenabteilung der dänischen Straßenbaubehörde, Herr Andersen, kritisiert in der Zeitung das Modell der Projektgesellschaft, das Sie hier propagieren. Er sagt, Projektgesellschaften führten dazu, dass Verbindlichkeiten und Risiken nicht mehr im Staatshaushalt abgebildet würden und nicht mehr Gegenstand des normalen demokratischen Verfahrens seien. Wenn uns der Ministerpräsident sagt, wir hätten in der Vergangenheit dabei versagt, genügend Mittel zum Unterhalt unserer Straßen bereitzustellen, dann kann die Lösung doch nicht die Bildung von Sonderhaushalten sein. Man kann doch nicht sagen, wir werden auch in Zukunft versagen. Hier im Landtag, im Parlament, muss doch gestritten werden, ob Mittel für eine Autobahn oder für Bildung oder für den Breitbandausbau oder den Schuldenabbau eingesetzt werden. Wir müssen uns selber doch zutrauen, genügend Mittel für den Erhalt unserer Straßen aufzubringen. Alles andere wäre ein Armutszeugnis.
Herr Andersen kritisiert an dem Modell der Projektgesellschaft, Herr Minister, Entscheidungen der privatwirtschaftlichen Projektgesellschaft würden in kleinen Kreisen außerhalb der öffentlichen Einsicht und Kontrolle gefällt, was wiederum Bedarfskontrolle, Effizienzprüfung und Priorisierung aushebeln würde, all das, was für staatliche Projekte gilt, und zwar alles mit der Begründung, dieses Projekt koste den Staat ja nichts, weil es seine Kosten selber hereinspielen solle. Durch diese Konstruktion haben Sie keinen Anreiz, Kosten einzusparen. Das führt überhaupt erst zu solch irren Projekten wie der Fehmarnbelt-Querung mit einem so niedrigen Verkehrsaufkommen, dass es anderswo kaum den Bau einer Landesstraße rechtfertigen würde.
Ich zitiere abschließend Herrn Andersen: “Die Zusammenführung von Kreditaufnahmen, Benutzungsentgelten und das Verstecken von Risiken in einer GmbH habe keinen anderen Nutzen als den, die Finanzsituation Dänemarks herauszuputzen und es übereifrigen Politikern möglich zu machen, enorme kreditfinanzierte Summen für bedeutende Baumaßnahmen ohne Auseinandersetzung über den Staatshaushalt zu beschaffen.” Genau das ist die richtige Kritik an Ihrem Modell.
Mit uns PIRATEN wird es deswegen eine solche Pkw-Maut durch die Hintertür nicht geben. Wir lehnen Projektgesellschaften ab und fordern die Koalition auf, den Wirtschaftsminister an dieser Stelle zurückzupfeifen. Das Finanzierungsmodell Pkw-Maut ist unsozial, weil es alle gleich hoch belastet, während Steuerfinanzierung einkommens- und verbrauchsabhängig ist und damit viel gerechter. Das Finanzierungsmodell Pkw-Maut ist undemokratisch, weil es über Projektgesellschaften realisiert wird und diese Projekte öffentlicher Kontrolle entzieht. Es ist unwirtschaftlich, weil Bedarfskontrolle, Effizienzprüfung und Priorisierung ausgehebelt werden. Es ist auch unehrlich, wenn Sie einerseits lautstark gegen Pkw-Maut auftreten oder – wie CDU und FDP hier – gegen neue Abgaben, gleichzeitig aber neue Mautstraßen fordern, die ja neue Abgaben mit sich bringen würden. Da mussder Bürger sich ja für dumm verkauft vorkommen. […]
Die Piratenpartei Schleswig-Holstein tritt als einzige Partei konsequent für den Ausstieg aus dem über die Köpfe der Bürger hinweg geplanten Fehmarnbelt-Projekt ein.
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