Für Chatkontrolle wollen Polizeichefs sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung stoppen
32 Europäische Polizeichefs – offenbar einschließlich des BKA-Präsidenten – fordern in einer gemeinsamen Erklärung einen Stopp der Einführung sicherer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für Direktnachrichten über Facebook und Instagram. Dieser Schritt mache Telekommunikationsüberwachung und die freiwillige Chatkontrolle unmöglich, heißt es zur Begründung. Der Europaabgeordnete der Piratenpartei Dr. Patrick Breyer, der Meta wegen der freiwilligen Chatkontrolle verklagt hat, ordnet ein:
„Mit ihrem Angriff auf sichere Verschlüsselung fordern die die Überwachungsbehörden gerade keinen ‚gesetzmäßigen Zugang‘, sondern eine grundrechtswidrige und damit gesetzwidrige Gefährdung unser aller Sicherheit. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat erst vor wenigen Wochen geurteilt, dass eine generelle Schwächung von Verschlüsselung und Überwachbarkeit gegen das Menschenrecht auf Schutz der Privatsphäre verstößt, zumal es zielgerichtete Überwachungsmöglichkeiten gibt.“
Die Informatikerin und Spitzenkandidatin der Piratenpartei zur Europawahl Anja Hirschel kommentiert: „Der Ruf nach immer weiter reichenden Zugriffsmöglichkeiten ist nicht neu. Und jeder Schritt führt uns lediglich näher zur nächsten Forderung. Es ist nie genug: Der Wunsch nach völliger und lückenloser Überwachungsmöglichkeit eines jeden Menschen ist längst zum Selbstzweck geworden, lediglich die Begründungen variieren.“
Breyer weiter: „Dass Polizeiarbeit ohne Chatkontrolle nicht möglich sei, ist eine dreiste Lüge. Die allermeisten, gerade europäischen Kommunikationsdienste respektieren doch seit jeher das Telekommunikationsgeheimnis. Dass unsere Privatnachrichten vor verdachtslosen und unzuverlässigen Schnüffelalgorithmen sicher sind, schützt uns – und übrigens auch die Fotos unserer Kinder. Dass die freiwillige Chatkontrolle signifikant zur Rettung von Kindern beitrage, ist eine Mär, die nie belegt worden ist. Die britische Polizei zitiert einen Fall sexueller Erpessung, ohne aber mitzuteilen, ob der Hinweis infolge einer Nutzermeldung erfolgt ist oder aufgrund der unzuverlässigen Chatkontrolle. Sexuelle Erpressung wird normalerweise dadurch bekannt, dass sie von Nutzern gemeldet wird – einer Zerstörung des digitalen Briefgeheimnisses braucht es dazu nicht.
Gerade erst hat die neue Kriminalstatistik eine überdurchschnittlich hohe Aufklärungsquote bei Internetdelikten gezeigt – doch unsere Überwachungsbehörden scheint jeder geschützte und private Raum in Panik zu versetzen. Haben sie vergessen, dass unsere Wohnungen und Briefe schon immer weitgehend vor Spionage sicher waren? Sollen demnächst auch unsere Wohnungen und Briefe ‚überwachbar by Design‘ werden, vielleicht mit Nachschlüssel für die Polizei? Noch nie wusste die Polizei so viel über uns wie heute im digitalen Zeitalter. Totales Wissen nach dem Vorbild der DDR-Staatssicherheit darf es in einer Demokratie, in der die Bürger den Staat kontrollieren, nicht geben!“
Hintergrund: Eine EU-Expertengruppe („High-Level Group (HLG) on access to data for effective law enforcement“) erarbeitet gerade Vorschläge gegen sichere Verschlüsselung und zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung.