EU-Sicherheitskommissarin Ylva Johansson pro Vorratsdatenspeicherung | Tarnkappe.info [extern]
Obwohl es keinerlei Beweise dafür gibt, dass die Aufzeichnung eines flächendeckenden Kommunikations- und Bewegungsverhaltens der gesamten Bevölkerung die Aufklärungsquote von Straftaten erhöhen würde, spricht sich aktuell Sicherheitskommissarin Ylva Johansson im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten des Europäischen Parlaments für neue „Rechtsvorschriften zur Vorratsdatenspeicherung“ aus. Die Erklärung stieß auf heftige Kritik.
Das Pro und Kontra der Vorratsdatenspeicherung
Vorratsdatenspeicherung (VDS) ist das Stichwort, welches immer wieder neu zu Grundsatzdiskussionen führt. Datenschützer und Sicherheitsdienste geraten hier ebenso aneinander, wie Politiker unterschiedlicher Parteien. Ermittler erkennen in ihr Vorteile bei der operativen Polizeiarbeit hinsichtlich einer digitalen Spurensicherung. Sie rücken damit die ermittlungstechnische Komponente in den Vordergrund und versprechen sich wesentlich größere Erfolgschance bei der Verbrechensbekämpfung. Datenschützer hingegen sprechen im Zusammenhang mit Vorratsdatenspeicherung von durchsichtigen Bürgern durch staatliche Überwachung. So könne nicht nur nachvollzogen werden, welche Kontakte die Betroffenen in welcher Intensität pflegen. Es wäre zudem auch möglich, Bewegungsprofile der Nutzer zu erstellen.
Ylva Johansson erntet viel Kritik
Vor diesem Hintergrund erntete die schwedische Politikerin Ylva Johansson, die unter Frau von der Leyen Kommissarin für Inneres wurde, herbe Kritik für ihrer Forderung. So verdeutlicht Europaabgeordneter und Bürgerrechtler Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei) seinen Standpunkt wie folgt:
„Die EU muss Kriminelle stärker ins Visier nehmen und die Strafverfolgungsbehörden besser finanzieren, statt blindwütig Informationen über das Privatleben aller 500 Millionen Europäer zu sammeln.“
„Frau Johansson, respektieren Sie unsere Privatsphäre! Diese Metadaten machen uns nackt, können verwendet werden, um selbst prominente Beamte zu erpressen und Vorhersagen über unsere zukünftigen Bewegungen zu treffen. Es ist unverantwortlich, solche Informationen flächendeckend zu sammeln und sie einem ständigen Risiko von Missbrauch und Datendiebstahl auszusetzen.“
Keine vertrauliche Kommunikation mehr möglich!
„Die flächendeckende und wahllose Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten ist die Überwachungsmaßnahme mit der größten Streubreite und auch die unbeliebteste Überwachungsmaßnahme überhaupt. Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung schreiben die unterschiedslose Erfassung sensibler Informationen über elektronische Kontakte (einschließlich Geschäftskontakte), Bewegungen und das Privatleben (z.B. Kontakte zu Ärzten, Rechtsanwälten, Betriebsräten, Psychologen, Beratungsstellen usw.) von 500 Millionen Europäern vor, die nicht auch nur im Verdacht stehen, eine Straftat begangen zu haben. Eine so weitreichende Überwachung der gesamten Bevölkerung macht vertrauliche Kommunikation unmöglich, z.B. auch Kontakte von Informanten zur Presse.“
„Die Kriminalitätsstatistiken belegen überdies, dass es keinen einzigen EU-Mitgliedstaat gibt, in dem eine flächendeckende und wahllose Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten statistisch signifikante Auswirkungen auf Kriminalität oder die Aufklärungsquote hatte. Die pauschale und wahllose Gesetzgebung zur Vorratsdatenspeicherung im Telekommunikationsbereich wurde vom Europäischen Gerichtshof wiederholt als Grundrechtsverletzung eingestuft, weil sie auch für Personen gilt, für die es keine Beweise gibt, die darauf hindeuten könnten, dass ihr Verhalten einen – auch indirekten oder entfernten – Zusammenhang mit schweren Straftaten aufweisen könnte.“
Bildquelle Digitale Gesellschaft, thx! (CC BY-SA 2.0)
Aber auch der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner kritisierte Ylva Johansson auf Twitter:
„Anlasslose, verdachtsunabhängige Überwachung aller Bürger ist der völlig falsche Weg! Stattdessen sollten die Mitgliedsstaaten endlich Europol und Eurojust anständig finanziell ausstatten, aber danach sieht es in den laufenden Verhandlungen zum MFR eher nicht aus.“
Vorratsdatenspeicherung vorerst in Deutschland ausgesetzt
Erst am 25. September 2019 hat sich das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewandt. Es sollte die Frage geklärt werden, ob sich die deutsche Regelung über die Vorratsdatenspeicherung (VDS) mit dem EU-Recht vereinbaren lässt. Derzeit ist die VDS in Deutschland bis zur endgültigen gerichtlichen Entscheidung ausgesetzt. Viele Internet-Anbieter speichern dennoch – und sogar deutlich länger, als sie eigentlich müssten.
Stattdessen sollten die Mitgliedsstaaten endlich @Europol und @Eurojust anständig finanziell ausstatten, aber danach sieht es in den laufenden Verhandlungen zum #MFR eher nicht aus.
— Moritz Körner (@moritzkoerner) December 9, 2019