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EU-Parlament stimmt für Verlängerung der flächendeckenden Chatkontrolle durch US-Internetkonzerne

Allgemein

Gestern Abend haben die Abgeordneten des EU-Parlaments mehrheitlich für die Verlängerung der umstrittenen flächendeckenden freiwilligen Chatkontrolle 1.0 durch US-Internetkonzerne wie Meta (Instagram, Facebook), Google (GMail) und Microsoft (X-Box) bis April 2026 gestimmt. Von den deutschen EU-Abgeordneten unterstützten Union und SPD die Verlängerung, während Piraten, Grüne, FDP, Linke sie ablehnten und die AfD sich enthielt.

Der Europaabgeordnete der Piratenpartei und digitale Freiheitskämpfer Dr. Patrick Breyer, der gegen die eigenmächtige Chatkontrolle vor Gericht klagt, kritisiert: 


„Das EU-Parlament will von den grundrechtswidrigen flächendeckenden Chatkontrollen weg, mit dem gestrigen Beschluss zementiert es sie aber für Jahre. Das EU-Parlament will einen viel besseren und gerichtsfesten Schutz vor Kindesmissbrauch im Netz, mit dem gestrigen Beschluss wird aber überhaupt nichts zum besseren Schutz unserer Kinder erreicht. Mit so wenig Rückgrat werden immer weitere Verlängerungen des Status Quo der Massenüberwachung folgen und ein besserer Schutz von Kindern immer unwahrscheinlicher. Missbrauchsopfer haben besseres verdient! 



EU-Kommission, EU-Regierungen und einem internationalen überwachungsbehördlich-industriellen Netzwerk ist es leider gelungen, der Parlamentsmehrheit Angst vor einer vermeintlichen ‚Schutzlücke‘ durch Wegfall der flächendeckenden freiwilligen Chatkontrolle 1.0 zu machen. In Wahrheit leistet die freiwillige Massenüberwachung unserer persönlichen Nachrichten und Fotos durch US-Dienste wie Meta, Google oder Microsoft keinen signifikanten Beitrag zur Rettung missbrauchter Kinder oder Überführung von Missbrauchtätern, sondern kriminalisiert umgekehrt tausende Minderjähriger, überlastet Strafverfolger und öffnet einer willkürlichen Privatjustiz der Internetkonzerne Tür und Tor. Wenn nach eigenen Angaben der EU-Kommission nur jede vierte Meldung überhaupt für die Polizei relevant ist, bedeutet das für Deutschland Jahr für Jahr 75.000 ausgeleitete intime Strandfotos und Nacktbilder, die bei unbekannten Moderatoren im Ausland nicht sicher sind und in deren Händen nichts zu suchen haben.

Die Verordnung zur freiwilligen Chatkontrolle ist sowohl unnötig als auch grundrechtswidrig: Die sozialen Netzwerke als Hostingdienste brauchen zur Überprüfung öffentlicher Posts keine Verordnung. Dasselbe gilt für Verdachtsmeldungen durch Nutzer. Und die fehleranfälligen automatisierten Meldungen aus der Durchleuchtung privater Kommunikation durch Zuckerbergs Meta-Konzern, die 80% der Chatmeldungen ausmachen, werden durch die angekündigte Einführung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ohnehin im Laufe des Jahres entfallen.

Als Pirat arbeite ich daran, die eigenmächtige Chatkontrolle als verdachtslose und flächendeckende Überwachungsmaßnahme vor Gericht stoppen zu lassen. Gleichzeitig werden wir Piraten im EU-Parlament gegen alle Versuche kämpfen, doch noch Mehrheiten im EU-Rat für die extreme Dystopie verpflichtender Chatkontrolle 2.0 zur Zerstörung des digitalen Briefgeheimnisses und sicherer Verschlüsselung zu finden.“

Breyer kündigte gestern an, gegen die erstinstanzliche, formal begründete Abweisung seiner Klage gegen die Chatkontrolle in Berufung zu gehen. Unterdessen wollen die EU-Regierungen bis Juni darüber entscheiden, die Chatkontrolle für alle Dienste verpflichtend zu machen, selbst für bisher sicher Ende-zu-Ende-verschlüsselte Messengerdienste.