Erster Parlamentsvorschlag zur Chatkontrolle: Einige Giftzähne werden gezogen, aber die Chatkontrolle bleibt
Diese Woche hat der sozialdemokratische Berichterstatter der mitberatenden Binnenmarktausschusses im Europäischen Parlament, Alex Saliba, erste Änderungen am Verordnungsentwurf zur Chatkontrolle vorgeschlagen. Der Europaabgeordnete der Piratenpartei und Schattenberichterstatter im federführenden Innenausschuss Dr. Patrick Breyer bewertet die Vorschläge unterschiedlich:
„Kollege Saliba will dem extremen Vorstoß der ebenfalls sozialdemokratischen Überzeugungstäterin Johansson diverse Giftzähne ziehen: Die vorgeschlagene Streichung verpflichtender Altersverifikation sichert das Recht auf anonyme Kommunikation, auf das u.a. Whistleblower angewiesen sind. Die Streichung der Appstore-Zensur für Jugendliche sichert deren Recht auf freie und geschützte Kommunikation.
Nicht gestrichen werden sollen aber unwirksame Netzsperren mit Kollateralschäden für viele rechtmäßige Inhalte. Vor allem soll die verdachtslose Chatkontrolle weiterhin kommen: Verschlüsselung und Telefonie auszunehmen, KI-Algorithmen außen vor zu lassen – all dies würde nichts daran ändern, dass das Ende des digitalen Briefgeheimnisses für die meisten E-Mails und Chats droht und mit der Durchleuchtung persönlicher Cloudspeicher die Massenüberwachung privater Fotos. Das digitale Briefgeheimnis gilt nicht nur für verschlüsselte Kommunikation!
Meta durchsucht Facebook- und Instagram-Privatnachrichten schon heute „nur“ nach bekanntem Material, aber gerade dies zieht bei verdeckten Ermittlungen gegen Missbrauchstäter dringend benötigte Strafverfolgungskapazitäten ab, führt zur massenhaften Bezichtigung Unschuldiger (zu 80-90%) und zur tausendfachen Kriminalisierung leichtsinniger Jugendlicher, die man zu schützen vorgibt. Verdachtslos und flächendeckend rechtschaffene Nutzer ins Visier zu nehmen, wäre auch grundrechtswidrig und hätte vor Gericht keinen Bestand.
Vor wenigen Tagen erst haben die Sozialdemokraten im Europaparlament in einer Digitalstrategie versprochen, die neue Verordnung dürfe nicht „zu irgendeiner Form der Massenüberwachung führen“. Dieser Widerspruch muss dringend beseitigt werden!“ [S. 31]
Bis 7. März können die anderen Fraktionen nun Änderungen am Berichtsentwurf des Binnenmarktausschusses IMCO vorschlagen, der bis zur Sommerpause fertig gestellt werden soll. Der federführende Innenausschuss will seine Position bis September festzurren. Der konservative spanische Berichterstatter Zarzalejos will dann bis Jahresende unter der Ratspräsidentschaft seines Heimatlandes Spanien einen Deal schließen und die Verordnung schnell verabschieden.