Breyer vs. EU-Kommission: EuGH fällt Grundsatzurteil über Transparenz der europäischen Justiz
Am nächsten Montag, den 26. September verhandelt der Europäische Gerichtshof über die Klage des Abgeordneten der Piratenpartei Patrick Breyer aus Schleswig-Holstein gegen die EU-Kommission auf Offenlegung gerichtlicher Schriftsätze (Az. C-213/15 P): Darf die Öffentlichkeit erfahren, wie demokratisch gewählte Regierungen und private Kläger vor dem höchsten EU-Gericht agieren und argumentieren, gerade wenn Grundrechte oder sonst wichtige Grundsatzfragen zur Entscheidung anstehen? Wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage entscheidet die Große Kammer des Gerichtshofs.
Im Februar 2016 entschied Luxemburg in erster Instanz, dass die EU-Kommission den Schriftverkehr vor Gericht nach Verfahrensabschluss offenlegen muss, dass die Parteien während eines laufenden Verfahrens aber nicht zur Weitergabe von Informationen nach außen berechtigt seien (Az. T-188/12). Mit diesem Urteil waren beide Seiten unzufrieden: Die EU-Kommission, unterstützt von Spanien und Frankreich, will mit ihrer Berufung auch eine nachträgliche Offenlegung der schriftlichen Argumentation und Anträge in EU-Gerichtsverfahren verhindern. Pirat Breyer, unterstützt von Finnland und Schweden, will dagegen die in erster Instanz angenommene Geheimhaltungspflicht während laufender Prozesse kippen und veröffentlicht – trotz einer in erster Instanz verhängten Strafe – die im Verfahren gewechselten Schriftsätze weiter im Internet.
Kläger Breyer, der bis zu seiner Wahl in den Landtag selbst als Richter tätig war, erklärt: “Es geht in diesem Grundsatzprozess nicht nur um die Transparenz der EU-Justiz als europäisches Verfassungsgericht, sondern um Pressefreiheit und die demokratische Kontrolle von Regierungen. Sollen Presse und Öffentlichkeit in Grundsatzprozessen mit weitreichenden Folgen für jeden Bürger künftig vor vollendete Tatsachen gestellt werden? Keine Berichterstattung, bis die mündliche Verhandlung den Prozess abschließt? Meine Überzeugung ist, dass Entscheidungen des obersten EU-Gerichts nicht zu Geheimverfahren werden dürfen! Gerichtsverfahren ›unabhängig von jedem äußeren Einfluss‹ führen zu wollen, widerspricht dem Grundgedanken der demokratischen Kontrolle und der Pressefreiheit.”
Mit seiner Klage will Breyer erfahren, mit welchen Argumenten vor einigen Jahren um Österreichs Pflicht zur Umsetzung der später gekippten EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gerungen wurde. Für Aufsehen sorgte das Verfahren, als die EU-Kommission von Kläger Breyer erfolglos verlangte, seine Klageschrift und ihre Klageerwiderung wieder aus dem Internet zu löschen.
Verfahrensdokumentation
Erste Instanz (Az. T-188/12)
- Klageschrift vom 27.04.2012
- Teilerledigungserklärung vom 03.05.2012
- Erwiderung der EU-Kommission vom 16.07.2012
- Stellungsnahme des Klägers
- Stellungnahme der EU-Kommission vom 05.11.2012
- Stellungnahme Schwedens vom 13.12.2012
- Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 20.06.2014
- Sitzungsbericht des Berichterstatters
- Urteil vom 27.02.2015
- Bescheid der EU-Kommission vom 13.05.2015 und herausgegebener Schriftsatz vom 03.09.2009 sowie vom 23.12.2009
Berufungsinstanz (Az. C-213/15 P)
- Rechtsmittelschrift der EU-Kommission vom 05.08.2015
- Erwiderung des Klägers vom 19.08.2015
- Stellungnahme Schwedens vom 05.08.2015
- Stellungnahme Finnlands vom 17.08.2015
- Stellungnahme Spaniens vom 04.11.2015
- Stellungnahme Frankreichs vom 23.11.2015
- Stellungnahme Finnlands vom 09.02.2016
- Ladung zur mündlichen Verhandlung am 26.09.2016
- Schlussanträge des Generalanwalts vom 21.12.2016
- Urteil vom 18.07.2017
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