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Brandenburg: Spitzenbeamter fordert Stopp der Kennzeichenerfassung – und wird versetzt | netzpolitik.org [extern]

Freiheit, Demokratie und Transparenz Presseberichte

„Ich brauche eine Liste aller Wohnmobile mit polnischen Kennzeichen, die im Juni durch unser Bundesland gefahren sind.“ „Klar Chef, ich durchsuche schnell unsere Datenbank mit 40 Millionen Kennzeichen aller Fahrzeugbewegungen der letzten Jahre.“ Was nach autoritärem Überwachungsstaat klingt, passiert so oder ähnlich bei der Polizei in Brandenburg.
Im März wurde bekannt, dass die Landespolizei mit ihren elf Kennzeichen-Scannern nicht nur nach konkreten Fahrzeugen von Verdächtigen sucht, sondern sämtliche Nummernschilder aufzeichnet. Seit 2017 landen jeden Tag etwa 55.000 Fotos von Autos, Motorrädern und Bussen in der Datenbank, insgesamt sind es schon 40 Millionen.
Um diese Auto-Vorratsdatenspeicherung ist in Brandenburg ein Streit entbrannt, der sich acht Wochen vor der Landtagswahl weiter zuspitzt. Im Innenausschuss des Landtags mussten sich Staatssekretärin Katrin Lange und Polizeivizepräsident Roger Höppner sowie Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) rechtfertigen.
Abteilungsleiter im Innenministerium versetzt
Innenministerium und Polizei haben eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die belegen soll, dass die Kennzeichenerfassung „wichtig und unverzichtbar“ ist. Letzte Woche wurde der Abschlussbericht fertiggestellt, bisher ist er nicht öffentlich. Wir veröffentlichen an dieser Stelle den vollständigen Bericht.
Dass die Prüfgruppe keine Probleme sieht, ist wenig überraschend, das war ihre Aufgabe. Doch in einer ersten Stellungnahme hatte der Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium, Dr. Herbert Trimbach, ernste rechtliche Zweifel an der Kennzeichen-Überwachung: „Eine Rechtsgrundlage ist für diese Art und Weise der Kennzeichenerfassung nicht ersichtlich, jedenfalls ist die Praxis aber unverhältnismäßig.“ Trimbach hat empfohlen, „die Praxis einzustellen, bis Gerichte oder Staansanwaltschaften diese Art der Datenerfassung ausdrücklich anordnen“.
Die Polizei wollte das nicht einfach so hinnehmen, das Präsidium hat sich beschwert und personelle Konsequenzen für den Abteilungsleiter gefordert. Und so geschah es: Trimbach wurde gegen seinen Willen versetzt. Das Innenministerium kommentiert: „Ein Zusammenhang mit der Arbeit der Prüfgruppe besteht nicht.“
Trimbach widerspricht, er bezeichnet seine Versetzung als rechtswidrig und geht juristisch dagegen vor. Sein Anwalt, früher selbst Staatssekretär im Innenministerium, bekräftigt, „dass die Rechtsauffassung und die daraus folgende Empfehlung an den Innenminister ein Hauptmotiv der
gerichtsanhängigen Personalmaßnahme war“. Der Personalrat des Ministeriums sieht das auch so und hat Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den eigenen Minister erstattet.
Datenbank mit 40 Millionen Kennzeichen
Befürworter rechtfertigen die Überwachungs-Geräte, dass nur nach konkreten Kennzeichen gefahndet und alle anderen sofort gelöscht werden. Doch schon 2012 berichteten wir über einen Aufzeichnungsmodus, mit dem die Kennzeichen aller Fahrzeuge gespeichert werden. Und das ist der Normalfall in Brandenburg, seit 2017 laufen alle Scanner im Aufzeichnungsmodus – jeden Tag rund um die Uhr.
Die elf stationären und mobilen Anlagen der Firmen Vitronic und Robot fotografieren an Autobahnbrücken und wechselnden Straßen alle Fahrzeuge von hinten und extrahieren daraus die Kennzeichen. Fotos und Kennzeichen werden an einen Windows-Server des Brandenburgischen IT-Dienstleisters in Zossen geschickt und in der Software „Z-Server PoliScan Surveillance“ gespeichert.
Dort können Polizist:innen auf „alle gespeicherten Daten und Bildaufnahmen“ zugreifen, durchsuchen, nach Zeit und Ort filtern und die Daten exportieren. Anhand der Fotos können die Beamten aber auch nach Fahrzeugklassen mit unbekannten Kennzeichen suchen, als Beispiel werden „Wohnmobile mit polnischen Kennzeichen“ und „Sattelauflieger“ genannt.
Polizei sagt: Polizei handelt korrekt
Laut Innenministerium und Polizei ist das nicht nur „wichtig und unverzichtbar“, sondern absolut legal. Die Massenspeicherung im Aufzeichnungsmodus bewertet die Polizei als längerfristige Observation mit technischen Mitteln auf Grundlage der Strafprozessordnung. Den Auftrag bekommt die Polizei von Staatsanwaltschaften, aktuell gibt es 95 solcher Anordnungen – irgendeine davon greift immer.
Wenn die Daten erst einmal erhoben sind, bleiben sie so lange gespeichert, bis die Staatsanwaltschaft eine Löschung anordnet. „Eine eigenständige Löschung … erfolgt nicht“, schreibt die Polizei. Nur: „seit Anfang des Jahres 2017“ sind keine solchen Mitteilungen von Staatsanwaltschaften bei der Polizei eingegangen. Seitdem wurde nichts gelöscht.
Selbst wenn: „Eine Löschung erfolgt nur dann, wenn es für den betreffenden Zeitraum keine weiteren laufenden Verfahren gibt.“ Und irgendein Verfahren gibt es ja immer. Der Bericht von Innenministerium und Polizei kann dennoch „keine rechtlichen Bedenken“ bei der Speicher- und Löschpraxis erkennen.
Massendaten und Vorratsdatenspeicherung
Die Speicherung und Rasterung von 40 Millionen personenbezogenen Daten größtenteils Unschuldiger über mehrere Jahre sei aber keine Vorratsdatenspeicherung, behauptet die Polizei. Das ist ihr wichtig, denn „Vorratsdatenspeicherung“ klingt böse, nach Überwachungsstaat.
„Der wesentliche Unterschied ist, dass eine Vorratsdatenspeicherung anlasslos erfolgt“, schreibt die Polizei. Die Kennzeichen-Speicherung basiert hingegen auf Anordnungen von Staatsanwaltschaften. Das ist korrekt für die klassische Vorratsdatenspeicherung, doch längst diskutieren die EU-Staaten „erneuerbare Speicheranordnungen“, also immer wieder neue Speicherverpflichtungen. Wie in Brandenburg.
Es reicht auch nicht, dass die Polizei einen Anlass hat, Daten zu speichern – Betroffene müssen auch einen „Anlass zur Strafverfolgung geben“. Mit dieser Begründung hat der Europäische Gerichtshof die Vorratsdatenspeicherung gekippt: „Sie gilt also auch für Personen, bei denen keinerlei Anhaltspunkt dafür besteht, dass ihr Verhalten in einem auch nur mittelbaren oder entfernten Zusammenhang mit schweren Straftaten stehen könnte.“ Wie in Brandenburg.
Ein weiterer Unterschied laut Polizei: Die Kennzeichen-Datenbank ist beim Staat, Vorratsdaten sind bei Firmen. Dieses Argument dürfte aber nach hinten losgehen, denn das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass staatliche Stellen erst recht keine Vorratsdaten speichern dürfen: „[Der Staat] hat insbesondere, was durch entsprechende Regelungen und technische Vorkehrungen sicherzustellen ist, keinen direkten Zugriff auf die Daten.“
Bundesverfassungsgericht: „in Teilen verfassungswidrig“
Der Bericht von Innenministerium und Polizei ist keine unabhängige Überprüfung der Auto-Vorratsdatenspeicherung in Brandenburg. Das könnte etwa die Landesdatenschutzbeauftragte liefern, die prüft das System seit mittlerweile vier Jahren.
Oder Gerichte. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Kennzeichenerfassung ursprünglich nur unter strengen Auflagen erlaubt und erst im Februar als in Teilen verfassungswidrig eingestuft. Die Piratenpartei will eine erneute gerichtliche Prüfung herbeiführen und hat Beschwerde bei Amtsgericht und Landgericht eingereicht.
Der Europaabgeordnete Patrick Breyer kommentiert gegenüber netzpolitik.org:

Das ist ein Abnickpapier, das an der eigentlichen Frage der Unzulässigkeit einer Kfz-Massenspeicherung vorbei geht. Ich kenne keinen Rechtswissenschaftler, der die Brandenburg’sche Kfz-Massenspeicherung jedes Autofahrers für zulässig hält. Eine polizeiinterne Arbeitsgruppe ist kein Ersatz für eine unabhängige juristische Bewertung. Deswegen klagen wir.

Bis dahin könnten eigentlich die Bürger:innen über die Zukunft der Kennzeichenerfassung entscheiden, immerhin ist am 1. September Landtagswahl in Brandenburg. Pech nur, dass keine der relevanten Parteien in ihrem Wahlprogramm die Auto-Vorratsdatenspeicherung auch nur erwähnt. Nur die Piratenpartei lehnt die Maßnahme entschieden ab.


Datum: 1. Juli 2019
Behörde: Ministerium des Innern und für Kommunales Brandenburg
Autor: Michael Scharf, Landeskriminaldirektor, Leiter der Prüfgruppe „KESY„
Bericht über die Anwendungspraxis der automatischen Kennzeichenerfassung (KESY) zur Strafverfolgung und Gefahrenabwehr im Land Brandenburg
0. Vorbemerkung
Gegenstand des nachfolgenden Berichts bildet die Prüfung des Einsatzes der automatischen Kennzeichenfahndung (KESY) im Land Brandenburg zur Strafverfolgung und Gefahrenabwehr.
Dabei wurden insbesondere die tatsächlichen und rechtlichen Aspekte der Speicherung, Nutzung, Auswertung, Übermittlung und Löschung der Daten sowie die Modalitäten der Protokollierung und der Nutzungsberechtigungen unter Berücksichtigung gesetzlicher und untergesetzlicher Regelungen, von Ablaufprozessen sowie technischen Komponenten betrachtet.
Über die rechtliche Begutachtung von KESY hinaus werden in erkannten Bedarfsfällen Handlungsempfehlungen mit der Zielsetzung der Verfahrensoptimierung formuliert.
Die Systematik des Berichts orientiert sich am zu begutachtenden Prüfungsgegenstand.
Der sich in vier Abschnitte untergliedernde Bericht stellt zunächst im ersten Abschnitt grundsätzliche Aspekte zu Funktion und Umgang mit KESY dar, in dessen Rahmen bereits diejenigen Fragen einer Klärung zugeführt werden, deren Beurteilung sich als rechtsgebietsimmanent darstellt.
Der zweite Abschnitt widmet sich den Anwendungsmodalitäten von KESY zur Strafverfolgung auf der Grundlage der Strafprozessordnung (StPO).
Gegenstand des darauf folgenden Abschnitts bilden die Anwendungsmodalitäten von KESY zur Gefahrenabwehr auf Grundlage des Brandenburgischen Polizeigesetzes (BbgPolG).
Im vierten und abschließenden Abschnitt werden Fazit und Handlungsempfehlungen formuliert, die aus den Ergebnissen der vorangegangenen Abschnitte resultieren.
Aufgrund der Komplexität der Materie, die maßgeblich auf das interdisziplinäre Gepräge von technischen und rechtlichen Aspekten und deren Konnexität zurückzuführen ist, wird der methodische Ansatz einer für jeden Einzelaspekt individualisierten Sachverhaltsdarstellung mit sich hierauf beziehender Bewertung.
Für die Durchführung der Prüfung wurde nach entsprechender Festlegung des Ministers für Inneres und Kommunales am 3. Mai 2019 in Verantwortung der Abteilung 4 des Ministeriums des Innern und für Kommunales (MIK) eine Prüfgruppe eingerichtet.
Die Prüfgruppe tagte in mehreren Besprechungen, wertete vorhandene Unterlagen aus und besichtigte am 28. Mai 2019 das Einsatz- und Lagezentrum (ELZ) und ließ sich die Funktionsweise der automatischen Kennzeichenfahndung im Echtbetrieb erläutern.
I. Grundsätzliche Aspekte zu Funktion und Umgang mit KESY
1. Technische Funktionsweise von KESY im Land Brandenburg
KESY ermöglicht die Erfassung von Kennzeichen im sogenannten Fahndungs- und Aufzeichnungsmodus. Die technische Umsetzung erlaubt sowohl einen wahlweisen Betrieb lediglich eines Modus als auch die zeitgleiche Nutzung beider Varianten.
a. Funktion von KESY im Fahndungsmodus
Ein Lasertrigger tastet die Fahrbahn nach Bewegungen ab. Wird ein Fahrzeug erfasst, wird die Kamera aktiviert und ein Bild aufgenommen. Es entsteht eine rückwärtige Aufnahme des Fahrzeugs sowie ein vergrößertes Bild der Kennzeichentafel. Insassen sind nicht zu erkennen. Um die Lesbarkeit der Kennzeichen zu verbessern, wird gleichzeitig ein Infrarotblitz ausgelöst, der die reflektierenden Teile des Kennzeichens hervorhebt und dadurch das Lesen der Buchstaben-Zahlen-Kombination des Kennzeichens unterstützt. Die Software liest das auf der Ablichtung erkannte Kennzeichen, wandelt es in eine für Computer verständliche Sprache um und sendet es über eine Telefonleitung an den Server.
Auf dem Server prüft das System, ob das Kennzeichen im Fahndungsbestand vorhanden ist. Der Fahndungsbestand ist in zwei unterschiedlichen Datenbanken – getrennt nach Gefahrenabwehr und Strafverfolgung – gespeichert.
Liegt kein Treffer vor, werden das angefertigte Bild sowie das gelesene Kennzeichen sofort gelöscht.
Liegt ein Treffer vor, wird dieser durch ein optisches und akustisches Signal im ELZ angezeigt. In der Trefferanzeige wird auch die Rechtsgrundlage für die Einstellung angezeigt, so dass ersichtlich ist, ob der Einsatz zur Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung erfolgt. Durch einen Polizeibeamten erfolgen sodann eine visuelle Überprüfung sowie eine Prüfung der Aktualität der Fahndungsausschreibung.
Sollte sich der Treffer als falsch – sog. „unechter Treffer“ – erweisen, wird er manuell durch den Beamten gelöscht.
Andernfalls wird er für die weitere Bearbeitung gespeichert und der hinterlegte Fahndungsauftrag abgearbeitet.
b. Funktion von KESY im Aufzeichnungsmodus
Die Datenerhebung erfolgt in Entsprechung zur Funktionsweise des Fahndungsmodus.
Aufgenommene Bilder und Lesungen werden anschließend auf dem Server zur weiteren Verarbeitung gespeichert. Die gelesenen Kennzeichen werden dabei in einer CSV-Datei und als Bilddateien im JPEG-Format gespeichert. Dies beinhaltet auch Bilder, auf denen kein Kennzeichen vorhanden ist, kein Kennzeichen erkannt wurde oder falsch gelesene Kennzeichen erfasst wurden.
c. Organisatorische Verantwortlichkeiten
KESY wird im Einsatz- und Lagezentrum (ELZ) im Sachbereich Koordinierungsstelle Groß- und Schwerlastverkehr / KESY (KoSt-GST/KESY) betreut. Dort sind zwei Sachbearbeiter, einer davon als Fachkoordinator KESY, für die Anwendung und den Betrieb von KESY verantwortlich. Eingehende Ersuchen (Eilfahndungen, Beschlüsse, etc.) werden durch die beiden Sachbearbeiter geprüft und umgesetzt. Sie überwachen zudem die Laufzeiten der Fahndungen und führen die statistischen Erfassungen und Dokumentation, insbesondere in Vorbereitung auf die jährliche Berichterstattung an den Landtag, durch. Sie sind Ansprechpartner für eigene und externe Dienststellen bei der Anwendung von KESY.
2. KESY-Aufnahmen als personenbezogene Daten
Personenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann.
Kfz-Kennzeichen sind personenbezogene Daten in diesem Sinne.
3. Datenspeicherung
a. Sachverhalt
Dem Polizeipräsidium liegen aktuell Daten rückwirkend bis zum 1. April 2017 vor.
Die Daten werden im Zuge der Umsetzung mehrerer gerichtlicher Beschlüsse zur längerfristigen Observation im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erhoben. Ein Verfahren wurde im Jahr 2016 begonnen und bis zum Januar 2019 geführt. Ein weiteres Verfahren begann im September 2017 und dauert weiterhin an. Im Jahr 2017 wurden insgesamt 76 Beschlüsse umgesetzt, im Jahr 2018 95 Beschlüsse.
Für den in der Verantwortung der KoSt-GST/KESY liegenden Bereich kann ausgeschlossen werden, dass ältere Daten vorhanden sind. Ein Backup existiert nicht.
Aufgenommene Ablichtungen und Lesungen werden auf einem Server des Brandenburgischen IT-Dienstleisters (ZIT-BB) im Auftrag des Zentraldienstes der Polizei (ZDPol) (als technischer Auftraggeber) in Zossen gespeichert. Bei dem Server handelt es sich um einen Windows-Server mit dem Betriebssystem Microsoft Windows.
Bei der verwendeten Software des Herstellers Vitronic handelt es sich um das Programm „Z-Server PoliScan Surveillance“.
Die Datenübertragung der jeweiligen Endgeräte erfolgt über eine verschlüsselte VPN-Leitung im Pol-2-Netz der Polizei zum Server des ZIT-BB in Zossen. Der Zugriff durch die Anwender auf die Software des „Z-Server PoliScan Surveillance“ erfolgt im Weitverkehrsnetzwerk der Polizei des Landes Brandenburg (Pol-1-Netz).
Die gelesenen Kennzeichen werden in einer CSV-Datei abgelegt und können darin recherchiert werden.
Der Betrieb im Aufzeichnungsmodus ist von einer vorherigen Aktivierung durch eine natürliche Person abhängig. Die Anweisung zur Aktivierung des Aufzeichnungsmodus bei Alarmfahndungen ist dem Leiter vom Dienst vorbehalten.
Bei der Bearbeitung von Observationsbeschlüssen erfolgt die Aktivierung durch die zuständigen Sachbearbeiter KESY. Das Recht zur Aktivierung des Aufzeichnungsmodus ist im System nur für einen qualifizierten Nutzerkreis freigeschaltet.
Richterliche Beschlüsse zur längerfristigen Observation werden von den zuständigen Ermittlern aus dem gesamten Bundesgebiet per E-Mail oder E-Post an das ELZ übersandt. Nach dem Eingang erfolgt die Prüfung durch die Sachbearbeiter KESY, ob die Voraussetzungen zur Einstellung in das Kennzeichenfahndungssystem vorliegen. Fehlt etwa eine Anordnung nach § 100h Absatz 1 Nr. 2 StPO, wird diese nachgefordert. Liegen die Voraussetzungen vor, werden die genannten Kennzeichen in das System eingegeben, wo sie bis zum Ablauf des Beschlusses verbleiben. Die von den Ermittlern übermittelten Fahndungsinformationen werden hinterlegt und im Trefferfall bearbeitet. Zu jedem eingehenden Beschluss wird eine sogenannte KESY-Fall-Akte angelegt. Die Laufzeiten der Beschlüsse werden durch die Sachbearbeiter KESY überwacht.
b. Bewertung
Die Speicherung der Daten bis zur Erledigung des jeweils zu Grunde liegenden Verfahrens oder bis zu einer auf Weisung der zuständigen Staatsanwaltschaft erfolgenden Löschung ist nicht zu beanstanden.
Strafverfolgungsbehörden dürfen personenbezogene Daten in Dateien speichern, verändern und nutzen, soweit dies für die Zwecke des Strafverfahrens erforderlich ist (§ 483 Abs. 1 StPO). Die Bindung der Befugnis der Datenspeicherung an den Erhebungszweck ordnet das Gesetz sachlich einem konkreten Verfahren expressis verbis zu.
Mit dieser Norm korreliert – zeitlich konkretisierend – die entsprechende Löschvorschrift des § 489 Abs. 2 S. 1, 2 Nr. 1 StPO, nach der personenbezogene Daten in Dateien im Sinne des § 483 StPO grundsätzlich mit der Erledigung des Verfahrens zu löschen sind.
Diese Kriterien sind vorliegend erfüllt.
Durch die zitierten Normen wird klargestellt, dass sich die Speicherdauer zeitlich nicht akzessorisch zur Beschluss- oder Anordnungsdauer für das jeweilige Verfahren, sondern vielmehr grundsätzlich akzessorisch zum Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens verhält. Maßgeblich ist damit grundsätzlich der rechtskräftige Abschluss eines Verfahrens.
4. Datennutzung, -auswertung und -übermittlung
a. Sachverhalt
Für den nutzungsberechtigten Personenkreis besteht die Möglichkeit, unter Nutzung der KESY-Software „Z-Server PoliScan Surveillance“ auf alle gespeicherten Daten und Bildaufnahmen der vergangenen 28 Tage ab dem Zeitpunkt der Abfrage zuzugreifen. Daten und Bilder können angezeigt und in eine CSV-Datei exportiert werden. Eine Filterung nach konkreten Kennzeichen, Kameras der KESY-Anlage und Zeiträumen ist möglich. Die exportierte CSV-Datei ermöglicht Vergleiche und Auswertungen der Daten.
Daten, die sich jenseits des 28-tägigen Zeitraums befinden, müssen für einen Zugriff vom Server auf eine Festplatte kopiert werden, welche durch einen Mitarbeiter des ZIT-BB am Standort des Servers an diesen angeschlossen werden muss. Über einen Fernzugriff werden die Daten sodann durch einen Sachbearbeiter des Sachbereichs KoSt-GST/KESY kopiert. Der Zugriff auf den Server ist nur durch die Sachbearbeiter KESY möglich.
Anfragen zu den gespeicherten Daten von Sachbearbeitern aus anderen Bundesländern, der Bundespolizei oder des Zolls werden durch die Sachbearbeiter KESY bearbeitet. Abhängig vom Umfang der Anfrage erfolgt die Beantwortung per E-Mail – etwa bei kleineren Anfragen oder konkrete Bezugszeiträume – oder mittels Nutzung der Festplatte.
In einigen Verfahren werden derartige, gezielte Anfragen gestellt. Die Auswertung erfolgt durch die Sachbearbeiter KoSt-GST/KESY.
Die Konkretisierung der Anfragen schlägt sich etwa in der Suche nach bestimmten Kennzeichen, Auswertung, bzw. Übermittlung aller Kennzeichen in einem bestimmten Zeitraum, der Suche nach bestimmten Fahrzeugen in einem eng gefassten Zeitraum, deren Kennzeichen nicht bekannt sind (z.B. Wohnmobile mit polnischen Kennzeichen, Sattelaufliegern etc.) oder der Suche nach möglichen Pilotfahrzeugen nieder.
Die Dokumentation von Auswertung und Übermittlung erfolgt in der jeweiligen Fall-Akte. Dort werden Schriftverkehr und Übergabeprotokolle für die Übermittlung der Daten abgelegt.
Daten aus laufenden Verfahren werden regelmäßig durch die ermittlungsführenden Dienststellen abgefordert. Aufgrund der technischen Gegebenheiten (Fahrtwege, Serveranschluss, Kopiervorgang, Abholung) gestaltet sich eine Datenübertragung auf eine Festplatte mitunter als zeitlich langwierig. Daher werden Daten bisweilen erst nach einem Zeitablauf von einem bis zwei Monaten entgegengenommen.
In allen Ermittlungsverfahren, zu welchen in den Jahren 2017 bis 2019 Observationsbeschlüsse vorlagen, ist eine Auswertung der im Aufzeichnungsmodus erhobenen Daten durch die bzw. Übermittlung an die ermittlungsführende Dienststelle erfolgt.
Datenübermittlungsanfragen externer Polizeibehörden und -dienststellen erfolgen – ohne einer zwingenden Formvorschrift zu unterliegen – grundsätzlich auf schriftliche Anfrage in analoger oder digitaler Weise mit entsprechenden qualifizierten Nachweisen.
b. Bewertung
Eine rechtswidrige Nutzung, Auswertung oder Übermittlung der Daten ist nicht ersichtlich.
Die Datenübermittlung basiert auf der Rechtsgrundlage der § 483 Abs. 2 und § 487 Abs. 1 StPO. Gemäß § 483 Abs. 2 StPO dürfen Daten, die für ein bestimmtes Strafverfahren zulässig gespeichert worden sind, für andere Strafverfahren genutzt werden.
Gemäß § 487 Abs. 1 ist die Übermittlung der nach § 483 StPO gespeicherten Daten durch die speichernde Stelle zulässig, soweit dies für die in dieser Vorschrift genannten Zwecke – vorliegend zu Zwecken des Strafverfahrens – erforderlich ist.
§ 487 Abs. 1 5. 1, § 477 Abs. 2 StPO stellen klar, dass eine Weitergabe personenbezogener Daten, die durch eine Anordnung nach § 100h StPO erlangt wurden und ohne Einwilligung des Betroffenen zu Beweiszwecken in andere Strafverfahren eingebracht werden sollen, ebenfalls nur zur Aufklärung von Straftaten erfolgen darf, zu deren Aufklärung ebenfalls eine solche Maßnahme hätte angeordnet werden dürfen, also Straftaten von erheblicher Bedeutung in Anlehnung an den Katalog des § 100a Abs. 2 StPO.
c. Anwendungsfall „Rebecca R.“
Im Fall der vermissten Rebecca R. richtete das Landeskriminalamt Berlin mit Schreiben vom 26. Februar 2019 eine Anfrage an die Polizei des Landes Brandenburg unter Angabe des verfahrensrelevanten Autofabrikats nebst amtlichem Kennzeichen unter Beifügung des zugrundeliegenden Observationsbeschlusses des Amtsgerichts Tiergarten mit der Bitte um Mitteilung von Treffermeldungen.
Zudem bat das Landeskriminalamt Berlin um Recherche in den für den Zeitraum 18. bis 26. Februar 2019 vorhandenen Daten.
Das Rechercheergebnis wurde mit Schreiben vom 27. Februar 2019 der anfragenden Dienststelle mitgeteilt, die Treffer als Auszug der Software „Z-Server PoliScan Surveillance“ in der Anlage beigefügt und unter anderem mit dem Hinweis versehen: „Zur Verwendung als Beweismittel ist das Einverständnis der zuständigen StA im Ausgangsverfahren einzuholen.“
Die Übermittlung erfolgte gem. § 483 Abs. 2, § 487 Abs. 1 StPO. Die Voraussetzungen des § 477 Abs. 2 S. 2 StPO sind erfüllt, da es sich in allen Verfahren mindestens um eine Straftat von erheblicher Bedeutung handelt.
Eine Beteiligung der sachleitenden Staatsanwaltschaften in Berlin oder Brandenburg im Zuge dieses erfolgten Informationsaustauschs war nicht erforderlich. Nach § 478 Abs. 1 S. 5 StPO ist die Übermittlung personenbezogener Daten zwischen Behörden des Polizeidienstes auch ohne Entscheidung der Staatsanwaltschaft zulässig, es sei denn, es bestehen Zweifel an der Zulässigkeit der Übermittlung.
Der Wortlaut der Norm dokumentiert insoweit ein Regel-Ausnahme-Prinzip der Gestalt, dass grundsätzlich von einer Zulässigkeit ausgegangen wird, wenn nicht Anhaltspunkte für Zweifel im Raum stehen. Diese vom Gesetzgeber umgesetzte partielle Aufhebung der Sachleitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft soll einem vereinfachten und beschleunigten Informationsaustausch dienen und nach dessen Willen (nur) für die Zwecke der Strafverfolgung gelten.
Auch der im konkreten Verfahren erfolgte Hinweis des Erfordernisses einer staatsanwaltschaftlichen Beteiligung ist – unabhängig von einer mit diesem Hinweis nicht einhergehenden rechtlichen Bindungswirkung – nicht zu beanstanden.
Die Frage der Einführung übermittelter Daten in ein Strafverfahren zur Verwendung als Beweismittel steht unter dem Vorbehalt staatsanwaltschaftlicher Entscheidung, was jedoch streng vom bloßen Übermittlungsvorgang zu abstrahieren ist.
Die Beachtung der essentialia negotii, die für eine Datenübermittlung nach § 487 Abs. 1 S. 1, 477 Abs. 2 StPO erforderlich sind – insbesondere die Glaubhaftmachung eines entsprechenden Beschlusses mit einer zugrundeliegenden Straftat von erheblicher Bedeutung – dokumentiert, dass der Informationsaustausch unter der konkludenten Prämisse erfolgt, etwaigen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Datenübermittlung bereits im Vorfeld vorzubeugen.
Die lediglich punktuelle und nach konkreten Parametern definierte Kennzeichenabfrage (im Vorfeld einer Übermittlung) dokumentiert schließlich, dass einer Auswertung stets ein konkreter Anlass und eine weitest mögliche Konkretisierung auf relevante Merkmale zugrunde liegt.
5. Protokollierung
a. Sachverhalt
Zugriffe auf die Daten über die Software „Z-Server PoliScan Surveillance“ werden von dieser automatisch und unabdingbar protokolliert. Dies betrifft sowohl die Eingabe von Kennzeichen in die Fahndungsdatei als auch Recherchen in den gespeicherten Daten. Der Protokolleintrag enthält den Zeitpunkt des Zugriffs, die Kennung des Zugreifenden sowie die eingegebenen Such- und Filterkriterien (Zeitraum, Kennzeichen usw.). Zugriffe auf die auf dem Server gespeicherten Daten werden durch den Sachbereich KoSt-GST/KESY in der KESY-Fall-Akte dokumentiert.
b. Bewertung
Die Protokollierung der Datenverarbeitung begegnet keinen grundsätzlichen Bedenken.
Der Zeitpunkt des Zugriffs, die Kennung des Zugreifenden sowie die eingegebenen Such- und Filterkriterien werden protokolliert.
Soweit die zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 erlassenen Vorschriften eine Protokollierung des Grundes der Abfrage oder Offenlegung erfordern, wird dem durch die Verteilung der Nutzungsberechtigungen Rechnung getragen.
Nutzungsberechtigungen werden außerhalb des ELZ nur im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens, in welchem die Datenerhebung im Aufzeichnungsmodus erfolgte, vergeben. Recherchen und Abfragen mit diesen Nutzungsberechtigungen erfolgen ausschließlich im Rahmen der jeweiligen Ermittlungsverfahren. Recherchen und Abfragen zu anderen Ermittlungsverfahren erfolgen ausschließlich durch das ELZ und werden in der jeweils zu erstellenden KESY-Fall-Akte dokumentiert.
6. Datenlöschung
a. Sachverhalt
Der Sachbereich KoSt-GST/KESY prüft und löscht die Daten nach Mitteilung der jeweils ermittlungsführenden Dienststelle auf Weisung der sachleitenden Staatsanwaltschaft. Eine eigenständige Löschung ohne Mitteilung der ermittlungsführenden Dienststellen erfolgt nicht.
Nach entsprechendem Mitteilungseingang erfolgt durch die Hauptsachbearbeiter der KoSt-GST/KESY eine Prüfung dahingehend, ob der zu löschende Zeitraum auch von anderen Verfahren umfasst ist.
Eine Löschung erfolgt nur dann, wenn es für den betreffenden Zeitraum keine weiteren laufenden Verfahren gibt.
Solche Mitteilungen sind seit Anfang des Jahres 2017 im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums nicht eingegangen.
b. Bewertung
Der beschriebene Prozess der Datenlöschung begegnet, keinen rechtlichen Bedenken, da die Maßgaben der insoweit einschlägigen Norm des § 489 Abs. 2 S. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StPO erfüllt sind.
Hiernach sind personenbezogene Daten in Dateien zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist oder sich aus Anlass der Einzelfallbearbeitung ergibt, dass die Kenntnis der Daten für die Zwecke des Strafverfahrens nicht mehr erforderlich ist. Bei einer Datenverarbeitung für Zwecke des Strafverfahrens sind gespeicherte Daten mit der Erledigung des Verfahrens grundsätzlich zu löschen.
Die sachliche Zuständigkeit für die Entscheidung der Löschung obliegt der Staatsanwaltschaft.
Eine rechtliche Verpflichtung oder untergesetzliche Regelung, nach welcher der Polizei eine proaktive Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft hinsichtlich einer Löschung obläge, existiert nicht.
Starre Löschfristen existieren bei einer Datenverarbeitung für Zwecke des Strafverfahrens – anders als etwa für Zwecke künftiger Strafverfahren gemäß § 489 Abs. 4, § 484 StPO – nicht.
7. Nutzungsberechtigungen an KESY
a. Sachverhalt
Damit ein/e Nutzer/-in auf die Anwendung „Z-Server PoliScan Surveillance“ zugreifen kann, muss zunächst der jeweilige Rechner an der Firewall des Servers freigeschaltet werden. Vorher ist die Anmeldemaske der Anwendung nicht erreichbar. Dadurch wird verhindert, dass von jedem beliebigen Rechner im Pol-1-Netz die Anwendung aufgerufen werden kann. Der Auftrag für die Freischaltung wird nach Eingang eines Nutzerantrages durch den Fachkoordinator KESY an den ZIT-BB erteilt. Erst danach wird eine Nutzerberechtigung mit Benutzernamen und Passwort für die Anwendung vergeben. In unregelmäßigen Abständen wird geprüft, ob die Berechtigungen noch erforderlich sind.
Mit Stand 28. Mai 2019 lagen 66 Nutzungsberechtigungen (davon 57 außerhalb des ELZ) vor. Diese betrafen die Polizeidirektionen Ost, Süd und West sowie das LKA (Dezernat Organisierte und Schwere Kriminalität und Dezernat Schwere Grenzüberschreitende Kriminalität). Mit Stand 17. Juni 2019 liegen 23 Nutzungsberechtigungen (davon 14 außerhalb des ELZ) vor.
Jede Nutzungsberechtigung ermöglicht den Zugriff auf die Daten der letzten 28 Kalendertage. Eine systemseitige Begrenzung auf die Daten des Anordnungszeitraums des jeweiligen Beschlusses zur längerfristigen Observation ist derzeit nicht möglich.
b. Bewertung
Die derzeitige Erteilung der Nutzungsberechtigungen ist hinsichtlich des zeitlichen Umfangs (28 Tage) zu beanstanden und optimierungsbedürftig.
Dies ist jedoch nur in den Fällen relevant, in denen seit dem Anordnungszeitpunkt noch keine 28 Tage vergangen sind.
Gemäß dem datenschutzrechtlichen Grundsatz der Integrität und Vertraulichkeit sind personenbezogene Daten auf eine Weise zu verarbeiten, die die technische Sicherheit der Daten gewährleistet. Sie müssen durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen insbesondere vor unbefugter und unrechtmäßiger Verarbeitung geschützt werden. Durch die fehlende zeitliche Begrenzung der Nutzungsberechtigungen auf Daten des Anordnungszeitraumes des jeweiligen Observationsbeschlusses wird diesem Grundsatz nicht ausreichend Rechnung getragen.
Dies hat das Polizeipräsidium bereits erkannt und folgende Maßnahmen ergriffen:
Voraussetzung für die Rechtevergabe ist weiterhin das Vorliegen eines Observationsbeschlusses und einer Anordnung der Staatsanwaltschaft, die den Einsatz von KESY im Aufzeichnungsmodus gestattet (gemäß Erlass des MIK vom 8. Mai 2019 und Verfügung des Polizeipräsidenten vom 17. Mai 2019).
Eine weitere Voraussetzung vor einer neuen Rechtevergabe soll perspektivisch die Teilnahme an einem Online-Seminar „KESY“ im Bildungsportal der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg sein. Für die unterschiedlichen Nutzungsarten sollen verschiedene Module angeboten werden. Der Antrag erfolgt mit Zustimmung und Begründung durch den Vorgesetzten über einen Vordruck, der im Intranet unter DV-Anwendungen – KESY bereitsteht. Über die Befürwortung des Antrages entscheidet der Fachkoordinator KESY.
Die Berechtigung wird für die Dauer des Observationsbeschlusses erteilt. Im System ist eine Routine hinterlegt, die die Berechtigungen mit Ablauf des Beschlusses automatisch entzieht. Danach ist nur noch der Zugriff auf die Daten möglich, die im Beschlusszeitraum gespeichert wurden. Eine Verlängerung des Beschlusses ist rechtzeitig vor Ablauf an den Sachbereich KESY zu übersenden, damit die Berechtigung verlängert werden kann. Eine gesonderte regelmäßige Überprüfung der erteilten Nutzungsberechtigungen ist damit entbehrlich.
Der Themenkomplex der Nutzungsberechtigungen ist Gegenstand des formalisierten Rechte-Rollen-Konzepts „Z-Server PoliScan Surveillance (KESY)“.
Mit der vorgesehenen Verfahrensweise zur Vergabe der Nutzungsrechte wird den datenschutzrechtlichen Grundsätzen Rechnung getragen.
8. Abgrenzung von KESY zur Vorratsdatenspeicherung
Die KESY-Nutzung im Aufzeichnungsmodus ist von der sogenannten „Vorratsdatenspeicherung“ abzugrenzen.
Der wesentliche Unterschied ist, dass eine Vorratsdatenspeicherung anlasslos erfolgt. Der KESY-Nutzung im Aufzeichnungsmodus liegen dagegen konkrete strafrechtliche Ermittlungsverfahren mit den entsprechenden Beschlüssen und Anordnungen zugrunde.
Nach der vom Bundesverfassungsgericht für verfassungsrechtlich unzulässig erklärten „Speicherung von personenbezogenen Daten auf Vorrat zu unbestimmten und noch nicht bestimmbaren Zwecken“ richtet sich die Befugnis zur Erhebung von Telekommunikations-Verkehrsdaten nunmehr nach dem Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vom 10. Dezember 2015.
Die erste Abweichung zwischen einer Datenverarbeitung im Kontext der Nutzung von KESY und einer Vorratsdatenspeicherung betrifft die normative Grundlage einer Datenverarbeitung durch Strafverfolgungsbehörden:
Die Erhebung von Verkehrsdaten (sog. „Vorratsdaten“) durch Strafverfolgungsbehörden im strafprozessualen Kontext richtet sich, anders als die Datenverarbeitung im Zuge der Nutzung von KESY, nicht nach den Voraussetzungen des § 100h StPO, sondern vielmehr nach den – insoweit nochmals restriktiveren – Tatbestandsmerkmalen des § 100g StPO.
Zudem unterscheiden sich die originär mit der Datenverarbeitung befassten und verpflichteten Stellen voneinander:
Während bei der Nutzung von KESY die Staatsanwaltschaft durch die Polizei als verantwortliche Stelle für die Datenverarbeitung fungiert, werden bei Verkehrsdaten als speichernde Stelle nicht die Strafverfolgungsbehörden – deren Speicherungsbefugnis sich erst auf Sekundärebene und oben genannten Voraussetzungen ergibt -, sondern alle Erbringer öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste für Endnutzer als speichernde Stelle vorsieht und verpflichtet.
Zudem unterscheiden sich die personenbezogenen Daten einer Kennzeichentafel von Vorratsdaten in quantitativer Hinsicht und Eingriffsintensität voneinander, die bei Vorratsdaten ungleich ausgeprägter ist:
Unter Vorratsdaten werden Verkehrsdaten nach § 96 Abs. 1, § 113b TKG verstanden.
Hierbei handelt es sich namentlich um die Nummer oder Kennung der beteiligten Anschlüsse oder der Endeinrichtung, personenbezogene Berechtigungskennungen, bei Verwendung von Kundenkarten auch die Kartennummer, bei mobilen Anschlüssen auch die Standortdaten, den Beginn und das Ende der jeweiligen Verbindung nach Datum und Uhrzeit und, soweit die Entgelte davon abhängen, die übermittelten Datenmengen, den vom Nutzer in Anspruch genommenen Telekommunikationsdienst, die Endpunkte von festgeschalteten Verbindungen, ihren Beginn und ihr Ende nach Datum und Uhrzeit und, soweit die Entgelte davon abhängen, die übermittelten Datenmengen sowie sonstige zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung der Telekommunikation sowie zur Entgeltabrechnung notwendige Verkehrsdaten.
Nach § 113b TKG umfassen Verkehrsdaten zudem bei Telefonanbietern die Rufnummer oder eine andere Kennung des anrufenden und des angerufenen Anschlusses sowie bei Um- oder Weiterschaltungen jedes weiteren beteiligten Anschlusses, Datum und Uhrzeit von Beginn und Ende der Verbindung unter Angabe der zugrunde liegenden Zeitzone, Angaben zu dem genutzten Dienst, wenn im Rahmen des Telefondienstes unterschiedliche Dienste genutzt werden können, im Fall mobiler Telefondienste ferner die internationale Kennung mobiler Teilnehmer für den anrufenden und den angerufenen Anschluss, die internationale Kennung des anrufenden und des angerufenen Endgerätes, Datum und Uhrzeit der ersten Aktivierung des Dienstes unter Angabe der zugrunde liegenden Zeitzone, wenn Dienste im Voraus bezahlt wurden, im Fall von Internet-Telefondiensten auch die Internetprotokoll-Adressen des anrufenden und des angerufenen Anschlusses und zugewiesene Benutzerkennungen, bei der Übermittlung einer Kurz-, Multimedia- oder ähnlichen Nachricht die Zeitpunkte der Versendung und des Empfangs der Nachricht. Im Rahmen einer Internetnutzung werden zudem die dem Teilnehmer zugewiesene Internetprotokoll-Adresse, eine eindeutige Kennung des Anschlusses, über den die Internetnutzung erfolgt, sowie eine zugewiesene Benutzerkennung und Datum und Uhrzeit von Beginn und Ende der Internetnutzung unter der zugewiesenen Internetprotokoll-Adresse unter Angabe der zugrunde liegenden Zeitzone gespeichert.
Im Fall der Nutzung mobiler Telefondienste sind die Bezeichnungen der Funkzellen zu speichern, die durch den anrufenden und den angerufenen Anschluss bei Beginn der Verbindung genutzt wurden. Bei öffentlich zugänglichen Internetzugangsdiensten ist im Fall der mobilen Nutzung die Bezeichnung der bei Beginn der Internetverbindung genutzten Funkzelle zu speichern. Zusätzlich sind die Daten vorzuhalten, aus denen sich die geografische Lage und die Hauptstrahlrichtungen der die jeweilige Funkzelle versorgenden Funkantennen ergeben (sog. „Standortdaten“).
Entsprechend zur qualitativen und quantitativen Andersartigkeit von Vorratsdaten zu Kennzeichentafeln unterscheiden sich schließlich auch die mit den Daten korrespondierenden Speicherdauern:
Während die Speicherung von Daten im Zuge der Nutzung von KESY im Aufzeichnungsmodus an den Zeitpunkt der Erledigung des Verfahrens gekoppelt ist, beträgt die Speicherdauer von Verkehrsdaten zehn Wochen und für die als Unterfall von Verkehrsdaten zu subsumierenden „Standortdaten“ vier Wochen.
II. Anwendung von KESY zur Strafverfolgung nach der Strafprozessordnung
Ziffer 4.2 der Rahmenrichtlinie zur automatischen Kennzeichenfahndung in der Polizei Brandenburg vom 1. Januar 2010 sowie Ziffer 3 i. V. m. Anlage 1 der Dienstanweisung zum Einsatz der automatischen Kennzeichenfahndung (DA-KESY) des Polizeipräsidiums vom 16. Juni 2015 sehen den Einsatz automatischer Kennzeichenfahndung zur längerfristigen Observation, Eilfahndung, Einrichtung von Kontrollstellen und polizeilichen Beobachtung vor.
1. Längerfristige Observation unter Verwendung besonderer, für Observationszwecke bestimmter, technischer Mittel gem. § 100h Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 163f Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 StPO
a. Sachverhalt
Im Zusammenhang mit der Umsetzung von richterlichen Beschlüssen zur längerfristigen Observation nach § 163f StPO wird die automatische Kennzeichenfahndung als sonstiges besonderes für Observationszwecke bestimmtes technisches Mittel gemäß § 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO verwendet.
Eine Inbetriebnahme ist sowohl im Fahndungs- als auch im Aufzeichnungsmodus möglich.
Die Anordnung des Einsatzes erfolgt dabei grundsätzlich durch die zuständige Staatsanwaltschaft.
Form und Wortlaut der seit 2018 umgesetzten 95 Beschlüsse nebst Anordnungen, die der Nutzung von KESY im Aufzeichnungsmodus zugrunde liegen und aus verschiedenen Bundesländern eingingen, sind nicht einheitlich.
So verwendete beispielhaft die sachlich zuständige Staatsanwaltschaft im Ausgangsverfahren, welches unter anderem derzeit als Grundlage für KESY im Aufzeichnungsmodus herangezogen wird, seit der Erstanordnung vom 22. September 2017 stets abweichende Wortlaute im Rahmen der Anordnung von Maßnahmen gemäß § 100h StPO.
Die derzeit gegenständliche Anordnung sieht vor, dass „im Rahmen der Observationsmaßnahmen ohne Wissen der Betroffenen außerhalb von Wohnungen Bildaufnahmen hergestellt und sonstige besondere für Observationszwecke bestimmte technische Mittel verwendet werden können“. Von der Umsetzung des Observationsbeschlusses mit technischen Mitteln ist explizit „die Nutzung des Kennzeichenerfassungssystems KESY im Aufzeichnungsmodus mitumfasst“.
Mit Verfügung vom 7. Juni 2019 ordnete die Staatsanwaltschaft in anderer Sache aktuell nunmehr an, dass im Zuge der Umsetzung von Maßnahmen nach § 100h StPO „insbesondere alle Anlagen des Kennzeichenerfassungssystems KESY im Aufzeichnungsmodus verwendet werden können“.
b. Bewertung
Die Datenerhebung erfolgt in Umsetzung einer staatsanwaltschaftlichen Anordnung nach § 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO.
Bei KESY handelt es sich unstreitig um ein sonstiges besonderes für Observationszwecke bestimmtes technisches Mittel im Sinne von § 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO.
Die Umsetzung einer staatsanwaltschaftlichen Anordnung durch die Polizei hat verbindlich zu erfolgen, da der Polizei keine eigene Ermessensprärogative hinsichtlich der Umsetzung zukommt.
Nach § 161 Abs. 1 S. 2 StPO sind die Behörden und Beamten des Polizeidienstes verpflichtet, dem Ersuchen oder Auftrag der Staatsanwaltschaft zu genügen. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für das Ermittlungsverfahren, sondern für das gesamte Strafverfahren. Der Polizei steht gegenüber der Staatsanwaltschaft als Herrin des Verfahrens insoweit auch keine Deutungshoheit hinsichtlich des Wortlauts staatsanwaltschaftlicher Anordnungen zu.
Insofern kann es auch dahinstehen, ob die Staatsanwaltschaft explizit eine Anwendung von KESY im Aufzeichnungsmodus anordnet, oder etwa verfügt, „dass sonstige besonders für Observationszwecke bestimmte technische Mittel verwendet werden“ können.
Die Polizei darf sich darauf verlassen, dass sich die anordnende Stelle des Erklärungswertes ihrer Anordnungen und deren Rechtmäßigkeit gleichermaßen hinsichtlich eines konkreten, eingrenzenden Wortlauts, als auch hinsichtlich eines abstrakten, allgemeinen Anordnungswortlautes bewusst ist.
Diese Einschätzung sowie der Umstand, dass es hinsichtlich des Erklärungswertes einer Anordnung mit offenem Wortlaut keinen inhaltlichen Dissens zwischen anordnender Staatsanwaltschaft und umsetzender Polizei gibt, wird exemplarisch untermauert durch eine Verfügung der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder), welche sich auf Verfügungen bezieht, deren Wortlaut bis dahin die Verwendung von KESY im Aufzeichnungsmodus nicht explizit vorsah, jedoch gleichwohl feststellt:

Sofern im Einzelfall die Umsetzung einer Observation auch mittels eines automatisierten Kennzeichenerfassungssystems erfolgt, wird von der Staatsanwaltschaft geprüft, ob eine Aufzeichnung der erfassten Kennzeichendaten geboten ist. Vorliegend ist – wie regelmäßig bei der Verfahren der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder), in denen längerfristige Observationen auch mittels automatisierten Kennzeichenerfassungssystemen realisiert werden – aufgrund der Vielzahl von Beschuldigten, der zunehmenden Anzahl von Tatorten und wegen der wechselnden Tatfahrzeuge eine Beweisführung nur ordentlich möglich, wenn die während des Anordnungszeitraumes erfassten Kennzeichendaten für einen gewissen Zeitraum den Strafverfolgungsbehörden verfügbar bleiben. Nur so können erst später bekannt gewordene weitere Fahrzeuge sowie sonstige Ermittlungserkenntnisse, wie sie in solchen Komplexverfahren regelmäßig erst sukzessive gewonnen werden, in den Abgleich mit eingezogen werden.

Ungeachtet der obigen Ausführungen wurde durch Erlass vom 8. Mai 2019 sowie eine Verfügung des Polizeipräsidenten vom 17. Mai 2019 zusätzlich konkretisierend festgelegt, dass im Rahmen der Anregung von längerfristigen Observationsbeschlüssen nach § 163f StPO unter Verwendung von technischen Mitteln gemäß § 100h StPO durch die Sachbearbeiter darauf hinzuwirken ist, dass die diesbezüglichen Beschlüsse bzw. Anordnungen oder andere Verfügungen hinreichend konkrete Formulierungen zum Umfang der Nutzung der Kennzeichenfahndung insbesondere zum Betriebsmodus (Fahndungsmodus oder Aufzeichnungsmodus) enthalten.
Die Fachaufsicht über die Staatsanwaltschaften obliegt dem Ministerium der Justiz und für Europa und für Verbraucherschutz (MdJEV). Dieses hat bestätigt, dass die Anordnung des Betriebs der Kennzeichenerfassung im Aufzeichnungsmodus im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen ist. Die vorliegende Anordnung der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) ist dabei nicht beanstandet worden.
Weiterhin erfolgte bereits eine Befassung auf Ebene der Justizministerkonferenz mit dem Ergebnis eines entsprechenden Beschlusses:

1. Die Justizministerinnen und Justizminister haben sich mit den Möglichkeiten des Einsatzes von automatisierten Kennzeichenlesesystemen (AKLS) im Strafverfahren befasst.
2. Sie sind der Auffassung, dass der Einsatz von AKLS in bestimmten Fällen ein wichtiges Instrument der Strafverfolgung darstellen kann. Sie sprechen sich für eine ausdrückliche gesetzliche Regelung aus, die Voraussetzungen, Umfang und Grenzen des Einsatzes von AKLS im Strafverfahren festlegt.
3. Sie bitten die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, unter Beteiligung der Länder einen Vorschlag für eine gesetzliche Regelung zum Einsatz von AKLS im Strafverfahren zu erarbeiten, die unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu entsprechenden Regelungen in verschiedenen Polizeiaufgabengesetzen sowohl dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als auch den Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung Rechnung trägt.

2. Eilfahndung (24 Stunden) nach bekannten Kfz-Kennzeichen zur Verfolgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung gem. § 100h Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StPO
a. Sachverhalt
Durch verschiedene Dienststellen aus dem gesamten Bundesgebiet werden per E-Post, Fax oder E-Mail Ersuchen zur Einstellung von Kennzeichen in die Datenbank von KESY gestellt, die hauptsächlich entwendete Kraftfahrzeuge betreffen. Grundsätzlich kann aber bei jeder Straftat von erheblicher Bedeutung und der zeitlichen Nähe zu der zu verfolgenden Straftat ein Ersuchen gestellt werden. Gelegentlich erreichen das ELZ auch Rechtshilfeersuchen aus Polen zur Fahndung nach Fahrzeugen, die Betäubungsmittel nach Polen schmuggeln. In zwei Fällen gelang in 2019 durch KESY-Treffer die Festnahme des Täters auf deutscher bzw. polnischer Seite.
Nach Eingang des Ersuchens (überwiegend mittels Vordruck des ELZ QS KESY) wird geprüft, ob die Voraussetzungen des § 100h StPO (im Wesentlichen die Straftat von erheblicher Bedeutung/zeitliche Nähe der Tat) vorliegen. Danach wird das Kennzeichen in die „Fahndungsdatenbank (StPO)“ eingegeben. Nach 24 Stunden wird der Eintrag automatisch durch das System aus der Datenbank gelöscht.
Die Begrenzung auf 24 Stunden ergibt sich aufgrund der Abgrenzung zur längerfristigen Observation. Die Fahndung erfolgt auf Grundlage des § 100h StPO.
Im Rahmen der Eilfahndung erfolgt keine Recherche in den bereits durch den Betrieb des Aufzeichnungsmodus erhobenen Daten. Dies geschieht auch nicht in Fällen, in denen der konkrete Tatzeitpunkt nicht bekannt ist, weil etwa der konkrete Taterfolg mit zeitlicher Verzögerung bemerkt wird.
b. Bewertung
Es bestehen keine Bedenken.
3. Einrichtung von Kontrollstellen gem. § 111 StPO (Ringalarmfahndung)
a. Sachverhalt
Im Falle einer Alarmfahndung, etwa nach einem Raubüberfall auf ein Geldinstitut, besteht die Möglichkeit, auf Weisung des LvD für bestimmte KESY-Anlagen (örtliche Nähe zum Tatort) den Aufzeichnungsmodus zu aktivieren, um die Anlage als Fahndungspunkt in die Ringalarmfahndung einzubeziehen. Der Aufzeichnungsmodus ist hier auf die Zeit der Ringalarmfahndung begrenzt. Die aufgezeichneten Daten können anschließend durch die Kriminalpolizei, die sich mit dem Verfahren befasst, ausgewertet werden (analog zu den Kontrolllisten der Funkwagen).
Dieses Vorgehen ist in der DA-KESY ebenfalls beschrieben.
b. Bewertung
Es bestehen keine Bedenken.
4. Polizeiliche Beobachtung gem. § 163e StPO
a. Sachverhalt
Im Rahmen der polizeilichen Beobachtung werden durch die sachbearbeitenden Dienststellen ebenfalls Gerichtsbeschlüsse gemäß § 163e StPO übersandt. Im Gegensatz zur längerfristigen Observation ist es kraft Gesetzes erforderlich, dass die Kennzeichen der zu beobachtenden Fahrzeuge im Beschluss genannt werden. Die Kennzeichen werden für die Dauer des Beschlusses (i. d. R. 6 Monate) in die „Fahndungsdatenbank (StPO)“ eingegeben. Der Betrieb erfolgt ausschließlich im Fahndungsmodus.
b. Bewertung
Es bestehen keine Bedenken.
III. Anwendung von KESY zur Gefahrenabwehr nach dem Brandenburgischen Polizeigesetz
Ziffer 4.1 der Rahmenrichtlinie zur automatischen Kennzeichenfahndung in der Polizei Brandenburg vom 1. Januar 2010 sowie Ziffer 3 i. V. m. Anlage 1 der Dienstanweisung zum Einsatz der automatischen Kennzeichenfahndung des Polizeipräsidiums vom 16. Juni 2015 sehen den Einsatz automatischer Kennzeichenfahndung zur Gefahrenabwehr vor. Als normative Ermächtigungsgrundlage ist ausschließlich § 36a BbgPolG vorgesehen.
1. Anlassbezogene automatische Kennzeichenfahndung gem. § 36a BbgPolG
a. Sachverhalt
Bei Einsätzen zur Gefahrenabwehr findet § 36a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BbgPolG Anwendung.
In diesem Kontext gelangt ausnahmslos der Fahndungsmodus zur Anwendung, der bedingt, dass lediglich sogenannte „echte“ und „unechte“ Treffer gespeichert werden, während Kennzeichen, die nicht im Fahndungsbestand enthalten sind, unverzüglich gelöscht werden. Im Übrigen erfolgt lediglich eine kurzzeitige Erfassung und sofortige automatische Löschung.
In allen Anwendungsfällen zur Gefahrenabwehr ist die Anwendung des Aufzeichnungsmodus unzulässig.
Diese Vorgehensweise ist zudem in Ziffer 4.5 der einschlägigen Dienstanweisung beschrieben.
Eine Fehleranfälligkeit wäre bei einer falschen Einspeisung von Kennzeichendaten und beim Zeitablauf bis zur manuellen Löschung durch den Sachbearbeiter bei unechten Treffern hypothetisch denkbar. Nach Prüfung und Rücksprache mit dem ELZ sind derartige Fehler bislang nicht festgestellt worden.
Die Kontrolle erfolgt vor der Eingabe durch das ELZ. Im Hinblick auf § 36a Abs. 1 Nr. 1 und 2 BbgPolG ist eine weitergehende Kontrolle nicht angezeigt, da aufgrund der technischen Voreinstellungen eine automatische Löschung nach 24 Stunden erfolgt. Im Hinblick auf § 36a Abs. 1 Nr. 3 BbgPolG erfolgt zunächst eine Vorabprüfung der Anordnung des Behördenleiters durch den StB 4 des Behördenstabes. Vor der Eingabe erfolgt (ebenso wie bei Nr. 1 und Nr. 2) eine Kontrolle durch das ELZ. Die Kontrolle der Laufzeit erfolgt durch die die Ausschreibung veranlassende Dienststelle.
Im Übrigen erfolgt eine automatische Löschung nach Ablauf evtl. weitergehender Fristen.
b. Bewertung
Die Nutzung von KESY im Fahndungsmodus auf Grundlage von § 36a BbgPolG stellt sich als rechtmäßig dar.
(1) Verfassungsmäßigkeit des § 36a BbgPolG
Die Landesbeauftragte für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht gelangt in ihrer datenschutzrechtlichen Teilprüfung von KESY vom 28. Juli 2016 zu dem Ergebnis, dass § 36a BbgPolG als hinreichend bestimmt, normenklar sowie verhältnismäßig sei, nicht an einem Mangel der Erforderlichkeit leide und „die gegenwärtige Anwendungspraxis der präventiven Kennzeichenfahndung den datenschutzrechtlichen Bestimmungen entspricht“.
Dem Land Brandenburg obliegt die Gesetzgebungskompetenz für Normen, die der Gefahrenabwehr unterfallen.
Dass automatisierte Kennzeichenkontrollen zugleich Anwendung in strafprozessualem Kontext finden, die der konkurrierenden Gesetzgebung zuzuordnen sind, ändert an der Gesetzgebungskompetenz des Landes nichts. Ausweislich des Wortlauts des zentralen Strukturelements der Abwehr einer „Gefahr“, der systematischen Verortung der Norm im Polizeigesetz sowie der Zielsetzung der vorbeugenden Handlungsprämissen handelt es sich bei § 36a BbgPolG ausschließlich, unstreitig jedoch weit überwiegend, um eine gefahrenabwehrrechtliche Norm.
Nach jüngster Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt – in Abkehr zur bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – nunmehr bereits die Erfassung des Kennzeichens, auch bei sofortiger Löschung ein Eingriff in das Recht der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG dar.
Die Rechtfertigung setzt einen objektiv bestimmten und begrenzten Anlass für die Kontrollen voraus.
Gemäß § 36a Abs. 1 Nr. 1 und 2 BbgPolG wird auf die erforderliche Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr gemäß § 36a Abs. 1 Nr. 3 BbgPolG auf das Vorliegen von Tatsachen für eine polizeiliche Ausschreibung und eine unmittelbare Gefahr abgestellt.
Bedenken gegen die Verfassungskonformität oder Änderungsbedarfe an der Norm werden vor diesem Hintergrund daher nicht gesehen.
(2) Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 36a BbgPolG
Die Tatbestandsmerkmale des § 36a BbgPolG sind erfüllt.
Zentrale Befugnisnorm im Rahmen gefahrenabwehrrechtlicher Kennzeichenfahndung bildet § 36a BbgPolG.
Gemäß § 36a Abs. 1 Nr. 1 BbgPolG kann die Polizei Kennzeichen von Fahrzeugen ohne Wissen der Person durch den Einsatz technischer Mittel automatisiert erheben, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben einer Person erforderlich ist.
Das Polizeipräsidium ist Polizeibehörde und für die Aufgabenerfüllung nach BbgPolG – „insbesondere für die Gefahrenabwehr nach diesem Gesetz“ – sachlich zuständig, sodass es als Polizei im tatbestandlichen Sinne zu qualifizieren ist, § 72 Abs. 1, § 78 Abs. 1 S. 1, 2 BbgPolG.
Kennzeichen im Sinne der Norm ist ein Unterscheidungszeichen mit einer individuellen Erkennungsnummer, um eine Identifizierung des Halters zu ermöglichen, § 8 Abs. 1 FZV.
Die Begriffsdefinition ist im Kontext der gefahrenabwehrrechtlichen Zielsetzung von § 36a BbgPolG sowie der ratio legis des § 8 Abs. 1 S. 1 FZV jedoch nicht auf lediglich inländische Kennzeichen mit der bundestypischen Zusammensetzung beschränkt.
Hierfür spricht bereits der Umstand, dass andernfalls ein unlösbarer Wertungswiderspruch in der Rechtsfolge entstünde, in dem Halter von Fahrzeugen mit nicht amtlichen oder selbst erstellten Kennzeichen nicht von § 36a BbgPolG erfasst werden dürften und sich damit der Anfangsverdacht für eine Ordnungswidrigkeit oder Straftat privilegierend auf den Anwendungsbereich des Gefahrenabwehrrechts auswirkte. Zudem indiziert bereits der Wortlaut der Norm, eine solche Geltungsreduktion durch einen etwaigen Nebensatz gerade nicht.
Die durch die Polizei Brandenburg verwendeten KESY-Anlagen erfassen mithin Kennzeichen in diesem Sinne.
Fraglich ist, inwieweit die polizeiliche Praxis der automatisierten Erhebung entsprechender Ablichtungen vom Geltungsbereich des § 36a Abs. 1 Nr. 1 BbgPolG erfasst ist.
Ausweislich einer erfolgten Inaugenscheinnahme zur Bedienung der stationären Kennzeichenerfassungssysteme wird – jedenfalls bei Übereinstimmung zwischen erfasstem Kennzeichen und Fahndungsdatei (sog. „Trefferfall“) neben einer isolierten Ablichtung der Kennzeichentafel, zudem eine automatische Ablichtung des gesamten rückwärtigen Bereichs des KFZ erhoben, die Aufschluss über weitere Parameter, insbesondere gegenständliches Fahrzeugfabrikat, gibt. KESY ermöglicht es demgegenüber nicht, KFZ-Fabrikate ohne Angabe der Kennzeichenmerkmale intelligent zuzuordnen.
Eine Trefferfindung alleine aufgrund eingespeisten KFZ-Fabrikats ist daher nicht möglich.
Entscheidend ist, ob diese zusätzliche Erhebung, bei rechtskonformer Auslegung, noch vom Anwendungsbereich erfasst sein kann, mithin erforderlich ist.
Hiergegen spricht der insoweit klare Wortlaut von § 36a Abs. 1 BbgPolG, nach dem lediglich „Kennzeichen von Fahrzeugen“ automatisiert erhoben werden dürften. Der bei isolierter Betrachtung zu definierende mangelnde Mehrwert einer rückseitigen Fahrzeugablichtung dürfte ein weiteres Argument gegen eine Erforderlichkeit sein.
Für eine Erforderlichkeit spricht allerdings die Funktion der rückseitigen KFZ-Aufnahme im Lichte einer Gesamtbetrachtung:
So wurde nach Rücksprache mit Verantwortlichen des ELZ ausgeführt, dass bei praktischer Anwendung von KESY – insbesondere, wenn nur Teile von Kennzeichen bekannt sind – mehrere vermeintliche „Trefferfälle“, sog. unechte Treffer, registriert werden, ohne dass es sich um tatsächliche „Trefferfälle“ handelt. Die oftmals hinterlegte zusätzliche Information eines Fahrzeugtyps oder Fabrikats ermöglicht es den Sachbearbeitern in diesen Fällen, unechte Treffer umgehend zu löschen. Ohne die zusätzliche Information entstünde demgegenüber der Sachverhalt einer längeren, fälschlicherweise erfolgten, automatisierten Speicherung, da Merkmale für die Definierung eines Trefferausschlusses nicht vorhanden wären.
Da die Dauer einer fälschlichen Speicherung eines unechten Treffers einen schwereren Eingriff in die Rechtsposition potentieller Betroffener darstellen dürfte, als eine zusätzliche Informationserhebung zu Fahrzeugspezifika – der bei isolierter Betrachtung schon keine Personenbezogenheit anhaften dürfte -, sprechen die tragenden Argumente für eine Rechtmäßigkeit einer solchen zusätzlichen Ablichtung. Hinzu kommt schließlich, dass § 36a Abs. 2 S. 4 BbgPolG, dessen Geltungsbereich sich auf alle Tatbestandsvarianten des § 36a Abs. 1 BbgPolG bezieht, die sofortige Löschung unechter Treffer ausdrücklich vorsieht.
Im Ergebnis ist daher von einer Erforderlichkeit bzw. nahezu zwingenden Notwendigkeit der zusätzlichen Ablichtung auszugehen, da sich dieser modus operandi bei gleicher Geeignetheit durch eine maximale Verkürzung der Speicherdauer nicht nur als milderes Mittel, sondern als unabdingbar tatbestandlich darstellt.
Die Polizei kann die Maßnahme zudem „ohne Wissen der Person“ durchführen. Das etwaige Entfallen des Tatbestandsmerkmals der Heimlichkeit führt jedoch nicht zum Wegfall der Eingriffsermächtigung. Argumentum a fortiori bildet der Umstand, dass eine heimliche polizeiliche Maßnahme regelmäßig als eingriffsintensiver zu qualifizieren sein dürfte als eine polizeiliche Maßnahme mit Kenntnis des Betroffenen, sodass letztere erst Recht vom Anwendungsbereich des § 36a BbgPolG erfasst sein dürfte.
Von Teilen der Literatur wird eine bedingungslose heimliche Kennzeichenerfassung mit Verweis auf das Erforderlichkeitsgebot als kritisch erachtet. So sei eine heimliche Kennzeichenerfassung nur dann erforderlich, wenn eine offene Erfassung den Zweck der Maßnahme gefährden würde. Die Annahme, dass eine offene Erfassung die Maßnahme grundsätzlich gefährde, erscheine nicht von vornherein plausibel.
Dem dürfte jedoch entgegenzuhalten sein, dass bei Bekanntwerden der KESY-Standorte nach allgemeiner Lebenserfahrung mit einem willentlichen und planerischen Kalkül der relevanten Personengruppe für potentiell echte Treffer ausgegangen werden darf.
Der Meinungsstreit betrifft die Umsetzung im Land Brandenburg jedoch insoweit nicht, als die Maßnahme expressis verbis von einer Erforderlichkeit abhängt.
Bei den stationären KESY-Anlagen der Firma Vitronic sowie den mobilen KESY-Anlagen der Firmen Robot und Vitronic handelt es sich um technische Mittel, die eine automatisierte Erhebung von Kennzeichen ermöglichen.
Weiterhin muss eine gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben einer Person vorliegen.
Der in Brandenburg nicht legal definierte, unbestimmte Rechtsbegriff umschreibt eine Sachlage, „bei der die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder bei der diese Einwirkung unmittelbar oder in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorsteht“.
Als Unterfall der gegenwärtigen Gefahr wurde im Wege richterlicher Rechtsfortbildung der Begriff der Dauergefahr entwickelt, der sich dadurch auszeichnet, dass der Zeitpunkt des Eintritts eines schädigenden Ereignisses ungewiss sei, mit ihm aber jederzeit gerechnet werden müsse.
Die Figur der Dauergefahr senkt das Begründungserfordernis an die Wahrscheinlichkeitsprognose zum Zeitpunkt eines Schadenseintritts ab, erfordert demgegenüber gleichwohl ein konsistentes Begründungserfordernis zu allen Aspekten sowie – als Negativkorrelat zur abgesenkten Begründung zum zeitlichen Aspekt – eines „ungewöhnlich großen Ausmaßes möglicher Schäden“.
Ungeachtet der Fallalternative stellt der Gefahrenbegriff – neben dem Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit – ein zentrales Merkmal dar, dem stets eine einzelfallbezogene und schlüssige Begründung anzugedeihen ist.
Auf dieses Begründungserfordernis dürfte mit Blick auf eine fehlerfreie Rechtsanwendung stets und ausnahmslos ein gesteigertes Augenmerk zu richten sein.
Die Anordnung der Maßnahme hat schriftlich zu erfolgen und eine Begründung zu enthalten, sie ist zu befristen, wobei Verlängerungen bei erneuter Anordnung zulässig sind.
Auf eine Dokumentation dieses Geschäftsgangs ist, nicht zuletzt mit Blick auf die jährlichen Berichtspflichten des MIK gegenüber dem Landtag als Ausfluss des § 36a Abs. 3 BbgPolG ebenfalls besonders zu achten.
In der tatbestandlichen Alternative des § 36a Abs. 1 Nr. 2 BbgPolG müssen ergänzend die Voraussetzungen für eine Identitätsfeststellung nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 BbgPolG vorliegen.
Weitere Besonderheiten dürften sich über die zu § 36a Abs. 1 Nr. 1 BbgPolG genannten Aspekte nicht ergeben, die im Übrigen für die hiesige Variante gleichermaßen Geltung entfalten.
Lediglich ergänzend sei angemerkt, dass der Wortlaut der Norm missverständlich ist, da er bei isolierter Lektüre suggeriert, die Tatbestandsalternativen des § 12 Nr. 24 BbgPolG müssten kumulativ vorliegen. Dies ist nicht der Fall.
In der tatbestandlichen Alternative des § 36a Abs. 1 Nr. 3 BbgPolG kann die Polizei die anlassbezogene automatische Kennzeichenfahndung durchführen, wenn eine Person oder ein Fahrzeug nach § 36 Abs. 1 und 1 a BbgPolG polizeilich ausgeschrieben wurde und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die für die Ausschreibung relevante Begehung von Straftaten unmittelbar bevorsteht.
Da die gesetzliche Regelung hinsichtlich der Dauer der Maßnahme keine Höchstfristen enthält, können im Einzelfällen Maßnahmen auch über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden.
Für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 oder 1a BbgPolG ergeben sich keine Besonderheiten, bis auf das bereits erwähnte zusätzliche Anordnungserfordernis, deren Befugnis (anders als bei den übrigen Tatbestandsalternativen von § 36a BbgPolG) ausschließlich dem Behördenleiter obliegt und höchstens auf ein Jahr zu befristen ist.
In Abweichung zu den ersten beiden Tatbestandsalternativen dürfte der (semantische) Unterschied zu beachten sein, dass das Tatbestandsmerkmal der unmittelbar bevorstehenden Gefahr erfüllt sein muss. Unmittelbare Gefahr liegt vor, wenn mit dem Schadenseintritt sofort oder in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist.
Der Vergleich zur obigen Definition der gegenwärtigen Gefahr dürfte verdeutlichen, dass eine kongruente Schnittmenge von Fallkonstellationen gleichermaßen von beiden Gefahrbegriffen erfasst wird und ein eigenständiger Anwendungsbereich einer unmittelbaren Gefahr, der nicht vom Anwendungsbereich der gegenwärtigen Gefahr umfasst ist, selbst bei rechtstheoretischer Konstruktion schwerlich begründet werden dürfte.
Die Neueinführung von § 36a Abs. 1 S. 2 gebietet eine Dokumentation des Einsatzes technischer Mittel zum Zweck der Kontrolle.
IV. Fazit und Handlungsempfehlungen
KESY ist ein wichtiges und unverzichtbares unterstützendes Einsatzmittel für die Polizei des Landes Brandenburg und wird auch für die Polizeibehörden des Bundes und anderer Länder sowie die Zollfahndungsämter eingesetzt. Es führt regelmäßig zu Fahndungs- und Ermittlungserfolgen bei Straftaten von erheblicher Bedeutung, welche auf andere Art und Weise nur schwer zu erzielen wären.
Im Verlaufe der Prüfung der Prüfgruppe wurden durch das Polizeipräsidium bereits verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung der KESY-Anwendungspraxis umgesetzt. Für die Erteilung der Nutzungsberechtigungen wurde ein formalisiertes Rechte-Rollen-Konzept „Z-Server PoliScan Surveillance (KESY)“ erstellt, welches auch Auswirkungen auf die Protokollierung und Dokumentation von Abfragen und Recherchen hat. Ferner wird nunmehr darauf hingewirkt, dass Beschlüsse und Anordnungen hinreichende Formulierungen zum Umfang der Kennzeichenfahndung enthalten.
Aus den Erörterungen des Berichtes ergeben sich folgende Handlungsempfehlungen, die hinsichtlich Ziffern 1 und 2 bereits umgesetzt bzw. veranlasst wurden:
1. Die Vereinheitlichung der Verfahrenspraxis hinsichtlich der Ausgestaltung der Observationsbeschlüsse bzw. der Anordnungen der Staatsanwaltschaften.
Die Observationsbeschlüsse und Anordnungen der Staatsanwaltschaften sind hinsichtlich der Anwendung von KESY bisher nicht einheitlich. Ungeachtet des Umstands, dass das MdJEV die Umsetzung der vorliegenden Observationsbeschlüsse bzw. Anordnungen der Staatsanwaltschaften nicht beanstandete, wurde durch Erlass vom 8. Mai 2019 sowie die Verfügung des Polizeipräsidenten vom 17. Mai 2019 wurde zusätzlich konkretisierend festgelegt, bei Beschlüssen und Anordnungen auf hinreichend konkrete Formulierungen zum Umfang der Kennzeichenfahndung hinzuwirken.
Weiterhin erfolgte bereits eine Befassung auf Ebene der Justizministerkonferenz mit dem Ergebnis eines entsprechenden Beschlusses:

1. Die Justizministerinnen und Justizminister haben sich mit den Möglichkeiten des Einsatzes von automatisierten Kennzeichenlesesystemen (AKLS) im Strafverfahren befasst.
2. Sie sind der Auffassung, dass der Einsatz von AKLS in bestimmten Fällen ein wichtiges Instrument der Strafverfolgung darstellen kann. Sie sprechen sich für eine ausdrückliche gesetzliche Regelung aus, die Voraussetzungen, Umfang und Grenzen des Einsatzes von AKLS im Strafverfahren festlegt.
3. Sie bitten die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, unter Beteiligung der Länder einen Vorschlag für eine gesetzliche Regelung zum Einsatz von AKLS im Strafverfahren zu erarbeiten, die unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu entsprechenden Regelungen in verschiedenen Polizeiaufgabengesetzen sowohl dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als auch den Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung Rechnung trägt.

2. Überarbeitung des Verfahrensverzeichnisses und Erstellung eines formalisierten Rechte-Rollen-Konzeptes durch das Polizeipräsidium.
Ein formalisiertes Rechte-Rollen-Konzept liegt bereits im Entwurf vor.
Ebenfalls unter Berücksichtigung des politischen Diskurses erfolgte am 7. Juni 2019 die Umsetzung eines „Löschmoratoriums“ durch das Polizeipräsidium zur Vorbereitung der Neuvergabe der Nutzerberechtigungen.
3. Überarbeitung und Aktualisierung der Rahmenrichtlinie des MIK und Dienstanweisung des Polizeipräsidiums.
Dabei sollen u. a. die novellierten Anforderungen an den Inhalt der Anordnungen nach § 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO, der Umfang der Dokumentation im Lichte der Einführung einer ausdrücklichen gesetzlichen Dokumentationspflicht in § 36a Abs. 1 S. 2 sowie behördeninterne Verfahrensabläufe betrachtet werden.
4. Schaffung von technischen Lösungen, um die Qualitätssicherung der Nutzerverwaltung, der technisch-organisatorischen Abläufe sowie der Löschroutine zu unterstützen.
Eine entsprechende Überarbeitung wird aktuell im Zusammenwirken mit dem ZDPol initiiert.
5. Sensibilisierung der Staatsanwaltschaften hinsichtlich der zu treffenden Entscheidungen zur Löschung der Daten.
6. Prüfung der Aufnahme klarstellender Regelungen in § 36a BbgPolG.
Dies betrifft das Verhältnis der einzelnen Tatbestandsalternativen des § 36a Abs. 1 Nr. 2 BbgPolG sowie das Vorliegen des § 36 Abs. 1 und 1a BbgPolG im Rahmen von § 36a Abs. 1 Nr. 3 BbgPolG.
Fußnoten
Im Folgenden wird die Strafprozessordnung als StPO bezeichnet.
Im Folgenden wird das Brandenburgische Polizeigesetz als BbgPolG bezeichnet.
Im Folgenden wird das Ministerium des Innern und für Kommunales als MIK bezeichnet.
Im Folgenden ELZ genannt.
Diese Vorgehensweise ist in Ziffer 4.5 der DA-KESY beschrieben.
Im Folgenden KoSt-GST/KESY
§ 46 Nr. 1 BDSG, § 2 Nr. 1 BbgPJMDSG (durch Landtag am 13.06.2019 beschlossen)
Aus redaktionellen Gründen wird an dieser Stelle auf eine Einzelfallauflistung der gegenständlichen Verfahren verzichtet.
Im Folgenden ZIT-BB bezeichnet.
Im Folgenden ZDPol genannt.
Die Terminologie ist Ziffer 4.8 der DA-KESY vom 16.06.2015 entnommen.
Bei dem Pol-2-Netz der Polizei handelt es sich um ein polizeiinternes Datennetz mit Zugang zum Internet, in dessen Rahmen zum Teil polizeiinterne Daten übermittelt werden.
Bei dem Pol-1-Netz handelt es sich um ein polizeiinternes Datennetz ohne Zugang zum Internet. Im Rahmen dieses Netzes werden sämtliche polizeiinternen Daten bearbeitet.
Eine CSV-Datei ist eine Textdatei in einem standardisierten EDV-Format.
Ziffer 4.6 der DA-KESY vom 16.06.2015, siehe Anlage.
Einsatzkoordinatoren im ELZ und Sachbearbeiter KESY.
Ziffer 4.6 der DA-KESY vom 16.06.2015.
Zum Begriff der personenbezogenen Daten siehe unten, Rubrik I. Ziffer 7.
Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 483, Rn. 2.
Als argumentum e contrario führt Schmitt aus, „dass die Aufrechterhaltung einer Speicherung nach rechtskräftigem Freispruch, unanfechtbarer Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens oder nicht nur vorläufiger Einstellung des Verfahrens einer besonderen Begründung bedarf“, Meyer-Goßner-Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 483, Rn. 3.
E-Mailverkehr nebst Anlagen vom 26.02.2019 und 27.02.2019.
Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 478, Rn. 2; BT-Drucks 14/1484 S 30.
§ 76 BDSG, § 25 BbhgPJMDSG
Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 489, Rn. 3.
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Diese Funktion muss noch implementiert werden. Die Überwachung erfolgt bis dahin manuell.
Beim gegenständlichen Rechte-Rollen-Konzept handelt es sich um eine polizeiliche Dienstanweisung, die sich derzeit im Entwurfsstadium befindet.
Siehe hierzu nochmals oben, Rubrik I. Ziffer 1.
BVerfG 125, 260 (317) – Vorratsdatenspeicherung; Lisken/Denninger, Polizeirecht, 6. Aufl., Kap. G, Rn. 122.
BGBL. 2015 I, S. 2218.
§ 113a Abs. 1 TKG.
Zur Vermeidung von Redundanzen wird hinsichtlich der eingeschränkten Eingriffsintensität von Kennzeichentafeln und dem mit ihnen einhergehenden eingeschränkten Erklärungswert nach oben verwiesen, siehe Rubrik I. Ziffer 7.
Im Folgenden wird das Telekommunikationsgesetz als TKG bezeichnet.
§ 96 Abs. 1 S. 1 TKG.
§ 113b Abs. 1-3 TKG.
§ 113b Abs. 4 TKG.
§ 489 Abs. 2 S. 2 Ziffer 1 StPO.
§ 113b Abs. 1 Ziffer 1 TKG.
§ 113b Abs. 1 Ziffer 2 TKG.
In Einzelfällen erfolgte die Anordnung des Einsatzes durch das jeweilige Amtsgericht.
Verfügungen zu Az.: 228 Js 29241/17.
Schreiben der StA Frankfurt (Oder) vom 17.05.2019 zu Az.: 228 Js 29241/17.
Schreiben der StA Frankfurt (Oder) vom 22.05.2019 zu Az.: 228 Js 29241/17.
Anordnung der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) vom 07.06.2019, Az.: 228 Js 12081/19.
Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 161, Rn. 11.
Im September 2015 fand eine datenschutzrechtliche Teilprüfung von KESY durch die Landesbeauftragte für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht (LDA) beim Polizeipräsidium statt. Im Jahr 2016 wurde das Polizeipräsidium durch die LDA über das Ergebnis der anlassunabhängigen Prüfung unterrichtet. In ihrem 18. Tätigkeitsbericht kommt die Landesbeauftragte für den Datenschutz und das Recht auf Akteneinsicht zu dem Schluss, dass „die Kontrolle der polizeilichen Anwendungspraxis zur Gefahrenabwehr (…) aus rechtlicher Sicht keine Hinweise auf Datenschutzverletzungen ergeben” hat. Im Hinblick auf die anlassbezogene repressive Nutzung der Kennzeichenfahndung nach der StPO stellt sie mit Schreiben vom 28. Juli 2016 fest, dass „jede einzelne gerichtlich angeordnete Observation unter die sachliche Unabhängigkeit der Richter fällt und damit nicht der Aufsicht der LDA unterliegt“, siehe Schreiben der LDA vom 28.07.2016, Gz: So/110/15/340.
AG Rostock, Az.: 34 Gs 593/18.
Verfügung der StA Frankfurt (Oder) vom 06.05.2019, Az.: 228 Js 29241/17.
Verfügung Polizeipräsident vom 17.05.2019, Gz: ELZ-454-30.
Im Folgenden wird das Ministerium der Justiz und für Europa und für Verbraucherschutz als MdJEV bezeichnet.
Schreiben des MdJEV zur automatischen Kennzeichenerfassung im Land Brandenburg vom 03.06.2019, Az.: 4104EN1.002/19 (11.5)
Beschluss der 90. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister zu Top II. 6.
Rahmenrichtlinie zur automatischen Kennzeichenfahndung in der Polizei Brandenburg vom 01.01.2010.
DA-KESY vom 16.06.2015.
Siehe oben, Ziffer 4. Auf eine Darstellung von § 28b Abs. 5 BbgPolG wird aus oben genannten Gründen abgesehen. Die nachfolgenden, deskriptiven Ausführungen zur Anwendungspraxis sind in weitem Teil wortlautgetreu Ausarbeitungen des ELZ entnommen. Zum Zwecke vereinfachter Lesbarkeit wird auf die Verwendung von Zitationszeichen verzichtet.
Siehe zum technischen modus operandi von KESY im Fahndungsmodus nochmals oben, Rubrik I. Ziffer 1 lit. a).
Ziffer 4.3 der DA-KESY, Anlage. Ausnahmefall bildet Ziffer 4.1 der Rahmenrichtlinie KESY.
Anlage.
Siehe zu den Einzelheiten des Anwendungsbereiches der tatbestandlichen Varianten des § 36a BbgPolG unten, Rubrik III. Ziffer 1 lit, b) (2).
Schreiben der LDA vom 28.07.2016, Gz: So/110/15/340.
BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 11. März 2008, 1 BvR 2074/05.
BVerwG, Urteil vom 22.10.2014, 6 C 7.13, Rn. 22; so auch weiter Lisken/Denninger, Polizeirecht, 6. Aufl., Kap. E, Rn. 757.
BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 2018, 1 BvR 142/15, Rn. 41-44.
BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 2018, 1 BvR 142/15, Rn. 91-94.
Eine Einschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs von § 36a BbgPolG wird daher auch in Wissenschaft und Praxis nicht kontrovers diskutiert. Vgl. insoweit Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl., Kap. G, Rn. 1080 ff.; Zur Darstellung nationaler und internationaler „Rechtswirklichkeit“ der Kennzeichenerfassung s. Kenzel, Die automatisierte Kennzeichenfahndung, 2012, S. 159 ff.
Lisken/Denninger, Polizeirecht, 6. Aufl., Kap. G, Rn. 1097.
Ebd.
Ebd.
Zum technischen Ablauf wird auf Ziffer III des Sicherheitskonzepts für das Kennzeichen- Erfassungs-System (KESY) des Landes Brandenburg Bezug genommen (Anlage).
Nr. 3 lit. b BremPolG, § 2 Nr. 1 lit b NdsSOG; vgl. i. U. Lisken/Denninger, Polizeirecht, 6. Aufl., Kap. D, Rn. 54.
KG Berlin, NVwZ 2002, S. 1537, 1540.
Ebd.
Lisken/Denninger, Polizeirecht, 6. Aufl., Kap. G, Rn. 1098. Nach hiesiger Lesart ist dieses grundsätzliche Anordnungserfordernis von dem in § 36 Abs. 3 S. 1 BbgPolG zu unterscheiden, da § 36a BbgPolG keine Rechtsgrundverweisung in § 36 BbgPolG enthält. § 36a Abs. 1 Ziffer 3 BbgPolG setzt insoweit lediglich incidenter voraus, dass die Tatbestandsmerkmale des § 36 BbgPolG abschließend erfüllt sind.
Beschluss der 90. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister zu Top II. 6.
Diese Handlungsempfehlung wurde bereits umgesetzt und liegt in Entwurfsfassung vor.
Beide Kataloge werden derzeit bereits überarbeitet.
Rahmenrichtlinie zur automatischen Kennzeichenfahndung in der Polizei Brandenburg vom 01.01.2010.
DA-KESY vom 16.06.2015.
Eine entsprechende Überarbeitung wird aktuell im Zusammenwirken mit dem ZDPol initiiert.

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