BPT-Antrag: Kombinationsmodell anstelle einer ständigen Internet-Beschlussfassung (SMV)
Die zum Bundesparteitag in Bochum vorliegenden Anträge zur Einführung einer “Ständigen Mitgliederversammlung” – faktisch eines Abstimmungscomputers – halte ich für gefährlich (z.B. viel weniger Partizipation, qualitativ minderwertige Beschlussflut, verfälschte Mehrheiten, Manipulationsrisiko, Verstoß gegen das Parteiengesetz), besonders die “Hardcore-Anträge” (z.B. durch Klarnamenszwang und Dauerspeicherung des Abstimmungsverhaltens). Dies wird im Einzelnen hier erklärt:
http://www.patrick-breyer.de/?p=37090
Ich denke, man sollte dem eine Alternative entgegen setzen. Ich habe einen Antrag entworfen, der ein Kombinationsmodell aus elektronischer Ausarbeitung und Offline-Abstimmung vorsieht:
http://piratenpad.de/p/Kombinationsmodell
Ihr könnt gerne daran mitbasteln. Wenn ihr den Antrag gut findet, schickt ihr mir eure Mitgliedsnummer. Der Antrag muss mit fünf Unterstützern und deren Mitgliedernummern bis Donnerstag eingereicht werden.
Kombinationsmodell anstelle einer ständigen Internet-Beschlussfassung (SMV)
Der Bundesparteitag möge beschließen, den Abschnitt A der Satzung der Piratenpartei Deutschland in Paragraph 9b um den folgenden Absatz (10) zu ergänzen:
(10) Durch geheime Abstimmung in Wahllokalen oder durch Brief können Beschlüsse auch außerhalb von Bundesparteitagen gefasst werden. Zur Ausarbeitung von Beschlussvorlagen über das Internet wird ein den Prinzipien von Liquid Democracy entsprechendes elektronisches Beteiligungssystem eingerichtet. Das Nähere regelt eine vom Bundesparteitag mit einer 2/3-Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen zu beschließende Geschäftsordnung.
Begründung:
Eine “ständige Mitgliederversammlung” (besser: “ständige Internet-Beschlussfassung”) wie in mehreren Satzungsänderungsanträgen vorgesehen geht an den oft beklagten Problemen von Bundesparteitagen (Ausschluss armer oder zeitlich verhinderter Piraten, Behandlung nur weniger Anträge, keine zeitnahe Positionierung zu Aktuellem) vorbei. Stattdessen schaffen Abstimmungscomputer neue Probleme, die weit schwerer wiegen (z.B. viel weniger Partizipation, qualitativ minderwertige Beschlussflut, verfälschte Mehrheiten, Manipulationsrisiko, Verstoß gegen das Parteiengesetz), besonders die “Hardcore-Anträge” (z.B. durch Klarnamenszwang und Dauerspeicherung des Abstimmungsverhaltens). Dies wird im Einzelnen hier erklärt: http://www.patrick-breyer.de/?p=37090
Dieser Antrag schläge als Alternative vor, die Vorteile der gemeinsamen elektronischen Ausarbeitung von Texten mit den Vorzügen einer Reallife-Abstimmung (z.B. mehr Partizipation, höhere Qualität der Beschlüsse, bessere Repräsentativität, Vermeidung des Manipulationsrisikos elektronischer Abstimmungscomputer, keine Speicherung des individuellen Abstimmungsverhaltens, rechtliche Zulässigkeit) zu verbinden. Beschlussvorlagen können in einem den Prinzipien von Liquid Democracy entsprechenden elektronischen Beteiligungssystem ausgearbeitet werden (entspricht einer “ersten Kammer” oder “ersten Lesung”). Über sie wird dann in Wahllokalen oder durch Brief geheim abgestimmt (entspricht einer “zweiten Kammer” oder “zweiten Lesung”). Denkbar ist z.B. eine monatliche dezentrale Abstimmung in den Geschäftsstellen der Bezirke oder der Landesverbände ergänzt durch die Möglichkeit der Briefabstimmung für zeitlich verhinderte. Der Antrag ist bewusst offen formuliert, um der Geschäftsordnung nicht vorzugreifen. Diese soll in einem offenen Verfahren erarbeitet werden.
Im Unterschied zu den SMV-Anträgen wird festgelegt, dass die Geschäftsordnung – ebenso wie der Antrag selbst – nur mit Zweidrittelmehrheit angenommen werden kann. Dies schließt es aus, die Satzungsänderung als “trojanisches Pferd” zu nutzen, um eine bestimmte Ausgestaltung des Beteiligungssystems mit einfacher Mehrheit festlegen zu können. Die Regeln der Willensbildung der Piratenpartei sind von so grundlegender Bedeutung, dass sie von einer breiten Mehrheit getragen sein müssen. Nur so kann das Ziel der breiten Akzeptanz und Partizipation erreicht werden.
Comments
Hallo Patrick,
ich würde gerne von dir erfahren, wie du zu der Annahme kommst, dass etwa 1000 Leute oder auch “Superdelegierte” auf einem BPT zu qualitativ hochwertigeren Entscheidungen kommen als eine Basis von max. 32000 Leuten und das auch noch mit mehr Partizipation? Wie viel Anträge sind doch gleich auf dem letzten BPT geschafft worden?
Über die Ausgestaltung einer SMV können wir gerne diskutieren aber nicht über “ob” oder nicht.
Hallo Stefan,
unter dem Link oben findest du die Erläuterung, warum in der Praxis LQFB-Initiativen von weit weniger Personen erläutert und abgestimmt werden und vor allem einem weniger repräsentativen Personenkreis als auf Parteitagen. In einem Kombinationsmodell ist das nicht weiter schädlich.