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BKA: Höchststand an Falschverdächtigungen aufgrund der freiwilligen Chatkontrolle

Europaparlament Freiheit, Demokratie und Transparenz Pressemitteilungen

Von den Chats, die mithilfe der “freiwilligen Chatkontrolle” der US-Konzerne (allen voran Meta) an die Polizei geleakt werden, ist ein so geringer Anteil wie noch nie tatsächlich strafrechtlich relevant – zuletzt sogar weniger als die Hälfte. Dies ergibt sich aus dem heute veröffentlichten „Bundeslagebild Sexualdelikte“ des BKA. Danach ist die Zahl der zumeist automatisiert an das BKA ausgeleiteten Chatverläufe von 2022 auf 2023 massiv gestiegen (von 136.450 auf 180.300 Chats), die Zahl der für strafrechtlich relevant befundenen Chatverläufe aber zurückgegangen (von 89.850 auf 89.350 Chats).

„Die Zerstörung unseres Briefgeheimnisses nimmt immer dramatischere Ausmaße an“, kritisiert der Europaabgeordenete der Piratenpartei Dr. Patrick Breyer. „Erstmals sind mehr als die Hälfte der ausgeleiteten Chats völlig legal. Noch nie sind so viele private und intime Familienfotos, Partnerfotos, Sexting durch Kinder usw. in Hände gelangt, in die sie nicht gehören und in denen sie nicht sicher sind. Dass die Bundesregierung diese freiwillige Chatkontrolle unterstützt, ist der völlig falsche Weg. Unsere Kinder werden durch die Chatkontrolle massenhaft kriminalisiert, anstatt sie zu schützen – selbst wenn sie aus eigenen Stücken Selbstaufnahmen verschicken.

Nach meinen Informationen ist die Ursache dieser Rekord-Unzuverlässigkeit, dass einige Plattformen angefangen haben, Textchats nach Schlüsselwörtern zu scannen, denen jeder Bezug zu Kindesmissbrauch fehlt. Mit den privaten Schnüffelalgorithmen werden Millionen verdient, die Hersteller lobbyieren aber gegen jegliche Zuverlässigkeitsanforderungen, Transparenz und unabhängige wissenschaftliche Überprüfung.
Die von der Bundesregierung unterstützte eigenmächtige Chatkontrolle 1.0 ist ein gefährlicher Irrweg der US-Konzerne. Sie konnte die Menge des ‚verdächtigen‘ Materials an den teilnehmenden Plattformen nie eindämmen. Die Entlastung der Polizei von der Flut zum großen Teil falscher Verdachtsmeldungen würde Kapazitäten für die verstärkte Verfolgung und verdeckte Ermittlungen gegen organisierten Kindesmissbrauchs freimachen, was Kinder wirklich schützt und die Hintermänner stoppt. Big Tech unterlässt wirklich wirksame Schutzmaßnahmen durch sichere Gestaltung sozialer Netzwerke (Security by Design), weil sie ihren Profiten schaden würden. Warum werden Nutzer etwa nicht durchgängig und altersunabhängig gefragt, bevor ihre Fotos öffentlich sichtbar sind und sie für Fremde ansprechbar sind? Naheliegende Schutzmaßnahmen vor sexueller Annäherung sind wirksamer als jede ungezielte Massenüberwachung!”

Breyer klagt aktuell gegen die freiwillige Chatkontrolle vor dem Oberlandesgericht Schleswig. Auch die Klage eines Missbrauchsbetroffenen ist anhängig.