Change language: Deutsch

Europäischer Raum für Gesundheitsdaten

Die EU arbeitet an der Schaffung eines “Europäischen Raums für Gesundheitsdaten” (EHDS). Die Verordnung zielt darauf ab, die Gesundheitsdaten von Patienten europaweit zu vernetzen. So sollen beispielsweise Krankengeschichten, Testergebnisse oder Rezepte von Patient:innen mit behandelnden Krankenhäusern und Ärzten in der gesamten EU geteilt werden, sofern der/die Patient/in den Zugang nicht einschränkt. Das gilt auch für privat Versicherte. Auch Industrie, Forschung und Behörden sollen Zugang zu personenbezogenen Gesundheitsdaten erhalten, bei denen lediglich der Name entfernt wurde (“pseudonomisiert”) – es sei denn, der Patient widerspricht ausdrücklich.

Piraten wirken: Zwang zu elektronischer Patientenakte verhindert

Am 13. Dezember 2023 hat sich das Europäische Parlament auf Änderungsantrag des Europaabgeordneten Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei) und weiterer Abgeordneter dafür ausgesprochen, dass ein Widerspruchsrecht gegen die Sammlung sämtlicher Behandlungen und Beschwerden einer Person in einer europaweit vernetzten elektronischen Patientenakte eingeräumt werden darf. Nach der am 15. März 2024 getroffenen Einigung zwischen EU-Parlament und EU-Regierungen wird die endgültige Verordnung ein Widerspruchsrecht über Artikel 8h rechtssicher ermöglichen (siehe auch Erwägungsgrund 13a), so dass das deutsche Widerspruchsrecht gerettet ist.

Einen Zwang zur elektronischen Patientenakte darf es wegen des Risikos von Hacks und des Verlusts hochsensibler Behandlungsdaten nicht geben. Eine obligatorische elektronische Patientenakte hätte die Patienten der Kontrolle über ihre Gesundheitsdaten beraubt und Arztgeheimnis ausgehebelt.

Piraten fordern den Patienten vor der Weitergabe seiner Patientenakte zu fragen

Vor Zugriffen auf Gesundheitsdaten durch andere Ärzte und Industrie fordert der Europaabgeordnete der Piratenpartei Dr. Patrick Breyer über ein bloßes Widerspruchsrecht hinaus, dass Patienten nach ihrem Willen gefragt werden. Nur so haben auch Menschen mit wenig Zeit, eingeschränkten Sprachkenntnissen oder ältere Menschen eine echte Wahl. Im Europäischen Parlament gab es am 13. Dezember 2023 keine Mehrheit für Breyers Forderung (202:367 Stimmen), weshalb auch der endgültige Wortlaut nicht verlangen wird, Patienten vor der Weitergabe ihrer Daten mündlich zu befragen.

“Informationen, die Aufschluss über meine körperliche und geistige Gesundheit geben, sind äußerst sensibel. Wenn ich mich nicht darauf verlassen kann, dass diese Informationen von meinen behandelnden Ärzten vertraulich behandelt werden, werde ich mich vielleicht nicht mehr behandeln lassen. Das gefährdet kranke Menschen und ihre Familien.”

– Dr. Patrick Breyer, Europaabgeordneter (Piratenpartei)

Meine Forderungen:

Der vorgeschlagene EU-weite Austausch von Gesundheitsdaten sollte folgende Anforderungen erfüllen:

  1. Ohne die freie Zustimmung des Patienten sollten Behandlungsinformationen nur lokal beim Arzt seines Vertrauens gespeichert werden dürfen und nicht automatisch in zentralen Datenbanken, wo der Patient die Kontrolle darüber verliert. Sonst besteht die Gefahr, dass bei einem Verlust der zentral gespeicherten Daten plötzlich die Daten der gesamten Bevölkerung verloren sind. Der Gesetzentwurf sieht nicht einmal ein Widerspruchsrecht ausdrücklich vor (Zwangs-elektronische Patientenakte).
  2. Nur der behandelnde Arzt sollte Zugang zu den selbst gespeicherten Gesundheitsdaten haben, wenn der Patient nicht in Zugriff durch einen anderen Arzt frei einwilligt. Dazu gehört auch die Tatsache, dass eine Person überhaupt von einem bestimmten Arzt behandelt wird. Es gibt gute Gründe, z. B. eine zweite Meinung einzuholen, ohne dass die beteiligten Ärzte von einander wissen. Die Entwürfe von Rat und Parlament sehen nur ein Widerspruchsrecht vor.
  3. Wenn es überhaupt einen Zugriff durch die Industrie, die Forschung oder gar die Politik ohne Einwilligung des Patienten geben soll, dann nur auf anonymisierte und aggregierte Daten. Es reicht nicht aus, einfach die Namen der Patienten zu entfernen. Denn Behandlungsverläufe sind so eindeutig, dass sie leicht wieder der jeweiligen Person zugeordnet werden können. Die Entwürfe von Rat und Parlament sehen nur ein Widerspruchsrecht vor (Ausnahme einige Datentypen wie genetische Daten).

Wie geht es weiter?

Über den endgültigen Gesetzestext haben sich EU-Parlament und EU-Regierungen im März 2024 geeinigt. Ende April hat das EU-Parlament ebenfalls zugestimmt. Der Europaabgeordnete Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei) saß mit am Verhandlungstisch und kämpfte dafür, dass die Bürger/innen die Kontrolle über ihre Gesundheitsdaten behalten. Er lehnt das Verhandlungsergebnis ab und hat seine Gründe ausführlich erläutert.

Die Parlamentsakteure

LIBE (Co-Verhandlungsführer)

Berichterstatterin: Annalisa Tardino (ID)
Schattenberichterstatter: ZARZALEJOS Javier (EVP), Petar VITANOV (S&D), Lucia ĎURIŠ NICHOLSONOVÁ (Renew), Patrick BREYER (Greens/EFA), Beata KEMPA (ECR), Konstantinos ARVANITIS (GUE/NGL)

ENVI (Co-Verhandlungsführer)

Berichterstatter: Tomislav SOKOL (EVP)

Dokumente

Zeitplan

  • 6. Dezember: Erstes Treffen der Schattenberichterstatter
  • 11. Januar 2023: Sitzung der Schattenberichterstatter
  • 3. Februar 2023: Frist für die Übermittlung des Berichtsentwurfs (der ENVI- und LIBE-Berichterstatter) an die Übersetzung
  • 1. März 2023: ENVI/LIBE: Vorstellung des Berichtsentwurfs in Ausschüssen
  • 23. März 2023: Frist für die Einreichung von Änderungsanträgen
  • mehrere Berichterstattertreffen
  • 29. November 2023: Abstimmung in den Parlamentsausschüssen ENVI/LIBE
  • 6. November 2023: EU-Regierungen positionieren sich im Ausschuss der ständigen Vertreter
  • 12. Dezember 2023: Debatte im Plenum des EU-Parlaments
  • 13. Dezember 2023: Abstimmung im Plenum des EU-Parlaments über dessen Position
  • 14. Dezember 2023: Erste Trilogverhandlung
  • 30. Januar 2024: Zweite Trilogverhandlung
  • 20. Februar 2024: Dritte Trilogverhandlung
  • 7. März 2024: Vierte Trilogverhandlung
  • 14. März 2024: Finale Trilogverhandlung
  • 9. April 2024: Abstimmung in den federführenden Parlamentsausschüssen
  • 24. April 2024: Annahme durch das Europäische Parlament