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Internet-Vorratsdatenspeicherung im Bundestag: Zerstörung der anonymen Internetnutzung wäre ein Dammbruch!

Freiheit, Demokratie und Transparenz Pressemitteilungen

Am heutigen Donnerstag, 18. Januar, geplant ab 17.50 Uhr, debattiert der Deutsche Bundestag einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion aus dem September 2022 zur Einführung einer sechsmonatigen Speicherpflicht für Internet-Verbindungsdaten (IP-Adressen und Portnummern) aller Bürgerinnen und Bürger. Der Rechtsausschusses empfiehlt den Antrag abzulehnen.

Der Europaabgeordnete und digitale Freiheitskämpfer (Piratenpartei) Dr. Patrick Breyer klärt auf seiner Webseite über Vorratsdatenspeicherung auf, hat beim ZDF-Fernsehrat eine Beschwerde gegen einen einseitigen Beitrag zu diesem Thema eingereicht und veröffentlicht heute ein Gespräch mit Daniel Moßbrucker, NDR-Journalist und spezialisiert auf Recherchen zu Pädokriminalität im Darknet. In seinem Buch „Direkt vor unseren Augen“ erklärt Mossbrucker, wie sich Kriminelle etwa der Speicherung von IP-Adressen entziehen und wie pädokriminelle Onlineforen stattdessen gestört werden könnten.

Breyer mahnt:

„Der Respekt vor Kindern und Missbrauchsopfern verbietet es, Scheinlösungen vorzugaukeln, nur weil sie billig und simpel sind. Laut Bundesregierung gingen 2021 78.600 Hinweise von NCMEC ein, nur 2.150 Fälle (3%) konnten mangels gespeicherter IP-Adresse oder anderer Anhaltspunkte nicht weiter verfolgt werden [PDF]. Insgesamt wird bei Kinderpornografie im Netz laut Kriminalstatistik seit Jahren eine Aufklärungsquote von fast 90% erreicht. Die Aufklärungsquote war 2009 mit sechsmonatiger Vorratsdatenspeicherung nicht höher und ist es auch im Ausland nicht, wo Internet-Vorratsdatenspeicherung praktiziert wird. Dasselbe gilt für Internetkriminalität im allgemeinen. Das Gefaesere von einer angeblich zu kurzen Speicherpraxis der Unternehmen tritt den Koalitionsvertrag mit Füßen und entbehrt jeder statistischen Signifikanz.

IP-Vorratsdatenspeicherung ist, wie wenn jede:r Bürger:in ein sichtbares Kennzeichen um den Hals gehängt bekäme und dieses auf Schritt und Tritt notiert würde. Niemand würde sich eine solche Totalerfassung des täglichen Lebens gefallen lassen. IP-Vorratsdatenspeicherung würde jeden Internetnutzer unter Generalverdacht stellen und die Internetnutzung der gesamten Bevölkerung, die unsere intimsten Vorlieben und Schwächen abbildet, nachvollziehbar machen. Eine so totale Erfassung würde Kriminalitätsvorbeugung durch anonyme Beratung und Seelsorge, Opferhilfe durch anonyme Selbsthilfeforen und auch die freie Presse gefährden, die auf anonyme Informanten angewiesen ist. 99,99 Prozent dieser Daten wären völlig nutzlos, da sie Bürger:innen betreffen, die nie auch nur in den Verdacht einer Straftat kommen.

Die Wiederholungsschleife der Debatte um die Vorratsdatenspeicherung verhindert in Wahrheit echte Lösungen zum Kinderschutz. Für besseren Kinderschutz benötigen wir keinen Internet-Generalverdacht gegen alle Bürger:innen, sondern ein Quick-Freeze-Verfahren, die Login-Falle, verpflichtende Schutzkonzepten an Schulen, in Sportvereinen und Kirchgemeinden sowie kostenfreie, anonyme Beratungsangebote. Strafverfolger, die sich bisher für unzuständig erklären, müssen zur unverzüglichen Löschung ihnen bekannten illegalen Materials verpflichtet werden. Das ungenutzte Potenzial für echten Kinderschutz ist riesig. Massenüberwachung ist einfach und billig, hat mit echter Kinderschutzarbeit aber nichts zu tun.“