Vorratsdatenspeicherung und Chatkontrolle: Darknet-Experte Daniel Moßbrucker fordert Paradigmenwechsel beim Kinderschutz
In seinem heute erscheinenden Buch »Direkt vor unseren Augen – Wie Pädokriminelle im Internet vorgehen und wie wir Kinder davor schützen« (Droemer) fordert der Journalist und Darknet-Experte Daniel Moßbrucker, dass „Strafverfolgungsbehörden dringend einen Paradigmenwechsel einleiten müssen. Ihre aktuellen Taktiken lassen es zu, dass die Darknetforen immer größer werden, obwohl dies durch ein proaktives Löschen eingedämmt werden könnte.“ Pädokriminelle speichern illegales Bild- und Videomaterial im Clearweb. Die Löschung des Materials sollte eine Priorität von Ermittlungsbehörden werden.
Der Europaabgeordnete Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei / Greens/EFA) kommentiert:
„Dieses Buch muss diskutiert werden, weil wir endlich eine lösungsorientierte Debatte brauchen, die den Weg frei macht für echten Kinderschutz. Ich bin überzeugt, dass die sturen Forderungen nach digitaler Massenüberwachung echtem Kinderschutz nur im Wege stehen. Mittlerweile liegen genügend Vorschläge für wirksamen Kinderschutz auf dem Tisch, von dem wir undemokratische Methoden der Massenüberwachung, wie die anlasslose flächendeckende Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen endlich wegwischen sollten. Diskutieren sollten wir das Quick-Freeze-Modell, die Login-Falle, die Forderung nach verpflichtenden Schutzkonzepten an Schulen, in Sportvereinen und Kirchgemeinden und kostenfreie, anonyme Beratungsangebote. Mit der geplanten EU-Verordnung zur Chatkontrolle müssen Strafverfolger außerdem anders als vorgesehen endlich zur unverzüglichen Löschung ausbeutenden Materials verpflichtet werden. Das Potenzial für echten Kinderschutz ist riesig, wird aber nicht diskutiert. Daniel Moßbrucker klärt sachlich und balanciert darüber auf wie Pädokriminelle das Internet für ihre Verbrechen nutzen und warum etwa die Vorratsdatenspeicherung nicht die von den Befürwortern versprochenen Erfolge bringen kann.“
Notwendige Maßnahmen für besseren Kinderschutz
Moßbrucker erläutert wie pädokriminelle Onlineforen gestört werden könnten und wie sich Kriminelle etwa der Speicherung von IP-Adressen entziehen. Der Experte beschreibt, wie ein Mangel an lösungsorientierter politischer Aufmerksamkeit für das Thema pädokriminelles Handeln erleichtert, dass es dringend langfristig und ausreichend ausgestattete Aufklärung, Forschung, Beratungsangebote und Kooperationen für Kinderschutz braucht. Nach wie vor sind Schutzkonzepte lediglich in den Schulgesetzen von Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein vorgeschrieben. Moßbrucker erläutert: „Ein zentrales Thema ist für sie das der »Schutzkonzepte«. Klingt sperrig, bürokratisch und theoretisch, hat aber das Potenzial, sexuellen Kindesmissbrauch in der Breite der Gesellschaft bedeutend unwahrscheinlicher zu machen. Organisationen und Einrichtungen wie Schulen, Kindertagesstätten, Heime, Sportvereine, Kliniken, Kirchengemeinden oder Veranstalter von Kinder- und Jugendreisen sollen ein Schutzkonzept entwickeln und verpflichtend einführen.“
Debatte um Vorratsdatenspeicherung verhindert echte Lösungen
Über die Debatte zur Vorratsdatenspeicherung schreibt Moßbrucker: “Politisch Verantwortliche, die nach jedem neuen Fall von sexuellem Kindesmissbrauch in die Schublade politisch opportuner Maßnahmen greifen und beispielsweise eine Vorratsdatenspeicherung fordern, unabhängig davon, ob diese im konkreten Fall überhaupt etwas bringen würde, handeln bestenfalls naiv, meistens aber fahrlässig. (…) „Wie viel kostbare politische Diskurszeit ist in den vergangenen Jahren verloren gegangen, weil führenden Politiker:innen nichts anderes einfiel, als die Allzweckwaffe Vorratsdatenspeicherung aus der Schublade zu holen! Sie spielen mit den Emotionen der Menschen und nutzen technische Unwissenheit gekonnt aus, um mit der vermeintlich einfachen Lösung »Mehr Daten gleich mehr Täter« Stimmung zu machen. Es gäbe einen politischen Kompromiss, er nennt sich »Quick Freeze«. Bei diesem Verfahren würden nur die Verbindungsdaten von Bürger:innen gespeichert, bei denen es einen Verdacht gibt. Fiele also eine bestimmte IP-Adresse auf, weil darüber etwas Illegales abgewickelt wurde, könnten die Daten bei den Providern »schnell eingefroren« werden, daher »Quick Freeze«. (…) Die Ermittlungsbehörden sehen mit Skepsis auf das Quick-Freeze-Verfahren, nicht zuletzt, weil es häufig Wochen bis Monate dauert, bis Hinweisen nachgegangen werden kann. Dabei ließe sich gerade bei NCMEC-Meldungen alles automatisieren“.
Auch die drohende Chatkontrolle kritisiert Moßbrucker in seinem Buch.