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Ausschussempfehlung zur Chatkontrolle: Einige Giftzähne werden gezogen, aber die Chatkontrolle würde bleiben

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Heute hat der mitberatende Binnenmarktausschusses im Europäischen Parlament (IMCO) teils weitreichende Änderungen am Verordnungsentwurf zur Chatkontrolle empfohlen. Die Stellungnahme ist für den federführenden Innenausschuss (LIBE) nicht verbindlich, aber eine politische Orientierung. Der Europaabgeordnete der Piratenpartei und Schattenberichterstatter im federführenden Innenausschuss Dr. Patrick Breyer bewertet die Vorschläge unterschiedlich:

„Der Binnenmarktausschuss will dem extremen Vorstoß von ‚Big Sister‘ Johansson diverse Giftzähne ziehen: Die vorgeschlagene Streichung verpflichtender Altersverifikation sichert das Recht auf anonyme Kommunikation, auf das u.a. Whistleblower angewiesen sind. Die Streichung der Appstore-Zensur für Jugendliche sichert deren Recht auf freie und geschützte Kommunikation.

Nicht gestrichen werden sollen aber unwirksame Netzsperren mit Kollateralschäden für viele rechtmäßige Inhalte. Vor allem soll die verdachtslose Nachrichten- und Chatkontrolle weiterhin kommen, ein in der freien Welt einzigartiger Zerstörungsangriff auf die Vertraulichkeit und Sicherheit unserer Kommunikation. Verschlüsselung und Telefonie auszunehmen, die Textsuche nach Grooming außen vor zu lassen – all dies würde nichts daran ändern, dass das Ende des digitalen Briefgeheimnisses für die meisten E-Mails und Chats droht und mit der Durchleuchtung persönlicher Cloudspeicher die Massenüberwachung privater Fotos. Das digitale Briefgeheimnis gilt nicht nur für verschlüsselte Kommunikation!

Meta durchsucht Facebook- und Instagram-Privatnachrichten schon heute „nur“ nach bekanntem Material, aber gerade dies zieht bei verdeckten Ermittlungen gegen Missbrauchstäter dringend benötigte Strafverfolgungskapazitäten ab, führt zur massenhaften Bezichtigung Unschuldiger und zur tausendfachen Kriminalisierung leichtsinniger Jugendlicher, die man zu schützen vorgibt. Verdachtslos und flächendeckend rechtschaffene Nutzer ins Visier zu nehmen, wäre grundrechtswidrig und hätte unabhängigen Rechtsgutachten im Auftrag von Parlament und EU-Rat zufolge vor Gericht keinen Bestand. Ein solcher Fehlschlag wäre Missbrauchsopfern gegenüber unverantwortlich. Der Binnenmarktausschuss macht nur Andeutungen, wie eine gezielte Nachrichtenüberwachung aussehen könnte, setzt diese aber nicht um.

Jetzt ist es Aufgabe des federführenden Innenausschusses, das Grundrecht auf digitales Briefgeheimnis zu respektieren und gerichtsfeste, wirklich wirksame Maßnahmen zum Kinderschutz auf den Weg zu bringen.“

Der federführende Innenausschuss verhandelt weiter über seine Position, heute Nachmittag findet die nächste Verhandlungsrunde statt. Der konservative spanische Berichterstatter Zarzalejos will die Ausschussposition bis September festzurren und dann bis Jahresende unter der Ratspräsidentschaft seines Heimatlandes Spanien einen Deal schließen, um die Verordnung schnell zu verabschieden. Die spanische Regierung ist mit der extremen Aussage aufgefallen, sichere Verschlüsselung gehöre eigentlich verboten.