Bundesverwaltungsgericht: Gesundheitsverträglichkeit von Höchstspannungstrassen muss untersucht werden
Das Bundesverwaltungsgericht hat den Beschluss zur Errichtung einer 380 kV-Höchstspannungstrasse in Nordrhein-Westfalen außer Kraft gesetzt (Az. 4 A 1.13), Begründung: Die Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit der geplanten Leitung, die sich bis auf 30m der Wohnbebauung nähern soll, hätte besonders geprüft werden müssen (Umweltverträglichkeitsprüfung). Auch wenn eine Überschreitung des – in Deutschland sehr hohen – Grenzwerts von 5,0 kV/m nicht abzusehen sei, reiche die voraussichtliche Belastung von 3,8 kV/m doch so nahe daran heran, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung hätte vorgenommen werden müssen.
Andere Einwände hat das Bundesverwaltungsgericht dagegen verworfen:
- Die Notwendigkeit der Trasse selbst sei nicht zu prüfen, weil die Trasse vom Bundestag gesetzlich vorgegeben worden sei.
- Die hohen gesetzlichen Grenzwerte zum Strahlenschutz aus dem Jahr 1996 seien nicht zu beanstanden, weil sich die Eignung und Erforderlichkeit geringerer Grenzwerte mangels verlässlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht abschätzen lasse. Die zu Langzeitfolgen vorliegende Befundlage erweise sich als nicht stark genug, um einen Kausalzusammenhang zu belegen. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt den “möglichen Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen bei Kindern und der Wohnentfernung zu Höchstspannungsfreileitungen” zwar an, sieht aber keinen weiter gehenden Handlungsbedarf.
- Die Leitung müsse nicht als Erdkabel realisiert werden. Eine Freileitung habe wegen angeblich besser beherrschbarer Störungen, geringeren Reparaturaufwands, höherer Lebensdauer, geringerer Kosten, weniger Eingriffen in Biotope, Boden und Wasser sowie höherer Übertragungskapazität vorgezogen werden dürfen.
Aus meiner Sicht sind alle drei Punkte unbefriedigend: Überdimensionierte Höchstspannungstrassen brauchen wir nicht, gerade wo 220 kV-Leitungen ausreichen. Bei den Grenzwerten sollten wir nicht abwarten, bis eine mögliche krebserzeugende Wirkung nachgewiesen ist, sondern vorsorglich uns an den strengsten internationalen Vorgaben orientieren. So ist der Grenzwert in der Schweiz 100fach geringer als in Deutschland. Zur Vorsorge können Erdkabel auch dann sinnvoll sein, wenn sie höhere Investitionen erfordern.
Erfreulich ist immerhin, dass das Bundesverwaltungsgericht nun auch unterhalb des hohen gesetzlichen Grenzwerts eine Umweltverträglichkeitsprüfung von Höchstspannungstrassen fordert. Ich werde die Landesregierung fragen, ob auch hierzulande eine Umweltverträglichkeitsprüfung erfolgen soll.
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